Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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Kolonialwirtschaftliche OMitteilungen. 
Aus dem Krbeitsbereich des Kolonial-Wirtschaft- 
lichen Romitees. 
Eisenbahnprojekte in den Kolonien. 
Bei den kürglich stattgehabten Verhandlungen der 
Technischen Kommission des Kolonial-Wirt- 
schaftlichen Komitees über die Dringlichkeitsfrage 
neuer Eisenbahnbauten in den Kolonien wurde 
nach Vorverhandlungen mit den Unteressentengruppen 
und unter Berücksichtigung der allgemeinen Finanzlage 
beschlossen: als nächstliegende dringende Eisenbahn- 
projekte den Bau einer Zweigbahn von der Öst- 
afrikanischen Mittellandbahn nach deu volks- 
reichen Ländern Urundi und Ruanda, die 
Fortführung der Ostafrikanischen Nordbahn nach 
Aruscha, den Bau einer Olbahn nach dem Dl- 
palmendistrikt im Bezirk Anecho in Togo zu 
empfehlen. 
* Dem Referat des Geh. Kommerzienrats Lenz, 
Vorstandes der Deutschen Kolonial-Eisenbahn-Bau- 
und Betriebs-Gesellschaft, entnehmen wir auszugsweise 
folgendes: 
JIn Südwestafrika kann das Eisenbahnnetz vor- 
läufig als ausgebaut gelten. Die Verbindung von 
Norden nach Süden und mit der Rüste ist fertiggestellt, 
und es muß abgewartet werden, wie die Entwicklung 
des Landes fortschreitet, um beurteilen zu können, ob 
neue größere Eisenbahnprojekte aufzustellen sind. 
In Kamerun bedingen die veränderten Besitzver- 
hältnisse, u. a. die uns zugefallenen Wasserstraßen und 
der Hasen Muni im Süden, wie auch die Frage der 
Etappenstraße Garna —Logone im Norden eine ein- 
gehende Prüfung der einzuschlagenden Verkehrspolitik. 
Diesem Zwecke dient die jetzt unternommene verkehrs- 
politische Erpedition des Gouverneurs. Es wäre 
verfrüht, zur Zeit neue bestimmte Eisenbahnprojekte 
aufgustellen. 
Die Nordbahn ist seit dem 1. April bis Nkong- 
samba fertiggestellt und in Betrieb genommen. Das 
Reich ist un der Bahn durch eine Zinsgarantie für ein 
Kapital von 11 Millionen Mark beteiligt. Das Vor- 
zugskapital von 5 610 000 hat in den ersten neun 
Monaten nach Abschreibungen sämtlicher Betriebsaus- 
gaben und sämtlicher Rücklagen ½ v. H. gebracht. 
Daraus folgt, daß sich eine volle Verzinsung von 
3 v. H. ermöglichen lassen wird, wodurch die Reichs- 
garantie entlastet würde. Für die Fortführung der 
Nordbahn würde in diesem Falle Geneigtheit bestehen. 
Für die Erschließung des Tschadgebietes kommt aber 
auch die Mittellandbahn in Frage. Diese Bahn 
wird jedoch im günstigsten Falle erst Ende des Jahre 
1916 ihren vorläufigen Endpunkt, den Njong, erreichen. 
Mis dahin soll, vorausgesetzt, daß die Schiffahrtserpe= 
dition des RKolonial-Wurtschaftlichen Komitees ein 
günstiges Ergebnis bringt, cin rationeller Schiffahrts- 
betrieb auf dem Njong und möglichst auch auf 
dem Dume, Kadei, Sangha und Mambere be- 
reits eingerichtet sein. 
Auf eine Aufrage von Prof. I)r. Passarge bezüg- 
lich eines Bahnprojektes zur Erschließung des Gebietes 
zwischen Kamerunberg und Crosfluß wird mit- 
geteilt, daß eine generelle Untersuchung dieser Frage 
bereits durch das Gonvernement eingeleitet ist. 
In Togo hat der Einsturz der Landungsbrücke 
einen wesentlichen Rückschlag gebracht. Ohne die Bahn 
Lome —Atakpame war im Jahre 1910,11 ein 
  
Uberschuß von 259000 /r. im Jahre 1911/12 ein solcher 
von 419 000.¼ zu verzeichnen. Der Uberschuß dieses 
Jahres wird, nachdem die Bahn Lome — Alakpame in 
Betrieb genommen ist, auf ctwa 600 000.X geschägt. 
Als nächstliegendes Projekt ist hier die Erschließung 
des Olpalmendistriktes im Anechobezirk zu be- 
zeichnen. Der Reichtum an Olpalmen in dem betreffen- 
den Distrikt ist bekannt. Das Projekt ist vom Gou- 
vernement angeregt und die Vorarbeiten sind bereits 
eingeleitet worden. 
In Ostafrika kommen für eine Südbahn ber- 
schiedene Projekte in Frage wie die 1904 erkunder 
Linic Kilwa-Kissiwani —Wiedhafen, eine Zweig- 
bahn von der Mittellandbahn, eine kombinierte Eiser- 
bahn-Wasserstraße (Rufiji) und möglicherweise auch die 
Fortführung der jetzt von den Pflanzern im Lindi- 
bezirk geplauten Baumwollbahn. Die Sudbabn- 
projekte stehen indessen nach dem Ermessen der Tech- 
nischen Kommission in der Dringlichkeitefrage himer 
der Urundi — Ruanda-Bahn und der Fortführung 
der Nordbahn bis Aruscha zurück. 
Die Nordbahn ist bis Moschi fertiggestellt und 
in Betrieb genommen. Diese Bahn haite im Jadre 
1910/11 einen Überschuß von 572 000 .K gebrachte: 
dieser Uberschuß ist im Jahre 1911/12 auf 391.000.7 
zurückgegangen und wird in diesem Jahre 310000.7 
betragen. Der Rückgang ist darauf zurückzufübren, 
daß die gesamten Bauransporte aufgehört haben, aus 
denen bisher große Einnahmen flossen. Die eigentliche 
Güter= und Personenbeförderung hat im wesemtlichen 
zugenommen. Das Projekt der Weiterführung nach 
Aruscha ist inzwischen im Einvernehmen mit dem 
Reichs-Rolonialamt bearbeitet und ein spczielles Pro. 
jelt mit Kostenanschlägen aufgestellt worden. Die Aus- 
führung der Linie wird das fruchtbare und stark be- 
siedelte Gebiet am Meruberge aufschließen. Uber die 
Fortführung der Nordbahn nach dem Victoria= Sce 
besteht heute noch zu wenig Klarheit. Die Frage der 
Ausbentung des Natronsees ist noch nicht geklarl. 
anderseits kommt eine südlichere Linie zur Erschlieung 
der Wembäresteppe in Frage. 
Die Mittellandbahn wird voraussichtlich bereus 
im Frühjahr 1914 Kigoma am Tanuganyikasec el- 
reichen. Die Forderung einer Zweigbahn von der 
Mittellandbahn nach Urundi und Ruanda ist da- 
durch begründet, daß wir diesen volksreichen Gebielen 
näher gerückt sind und nicht zögern dürsen, diese kak- 
sächlich in Besitz zu nehmen. Die Bevölkerung Urundis 
und Ruandas ist auf rund 4 Millionen Einwohner ge- 
schätzt. Der Viehbestand in Urundi beträgt schätzungs- 
weise 200 000 Stück Rinder und 1 Million Schafe und 
Ziegen, in Ruanda über 300 000 Stück Rinder und 
etwa 1 Million Schafe und Ziegen. Reiche Boden- 
kultur ist vorhanden. An Ackerbauprodukten kommen 
für den Erport insbesondere Erdnüsse in Frage, deten 
Kultur in West-Urundi noch sehr ausdehnungsfähig ut. 
Urundi in seinem westlichen Teil, sowie Hoch-Ruanda, 
namentlich die Landstriche zu beiden Seiten des Rand 
gebirges mit ihrem kühlen Klima bieten außerdem dr 
besten Vorbedingungen für die Besiedelung duro 
Europäcr. Der Erport Ruandas belief sich im Jabre 
1910 bereits auf 1½ Millionen Mark: 58 hierven 
entfielen auf Hänte und andere tierische Produkte de 
zum großen Teil über die Ugandabahn dem #el- 
markte zugeführt werden. West-Urundi könnte jäbrieh 
etwa 30 000 Stück Großviehhänte = 375 Tonnen mur
	        
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