Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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Deutschen Reich verschaffen könnten; ferner schieden 
die kleinsten Siedler und diejenigen Personen aus, 
welche kleine Wirtschaften nur nebenbei betreiben. 
In Betracht kämen lediglich die mittleren Siedler 
und zwar in gleicher Weise die Pflanzungssiedler 
wie die viehzüchtenden Siedler. Diese Siedler, 
die durchgängig mit verhältnismäßig geringen 
Mitteln ins Land kämen, erhielten das völlig 
rohe, sogenannte unverwertete Kronland von der 
Rogierung pachtweise, seien aber berechtigt, sobald 
ein bestimmter Teil urbar gemacht sei, es zu 
Eigemum zu erwerben; auch Teile des gepachteten 
Landes könnten, immer im Verhältnis zu dem 
Umfsang, in dem die Urbarmachung erfolgt sei, 
von dem Pächter gekauft werden. Der Kauf- 
preis, der gleich beim Abschluß des Pachtvertrages 
voreinbart werde, sei niedrig, zwischen 1 und 
10 Rupien für das Hektar. Dagegen seien für 
die Urbarmachung erhebliche Aufwendungen er- 
forderlich. Zu der Zeit, als er im Schutzgebiet 
gewesen sei, habe man die Kosten für Urbar- 
machung eines Hektars einer Siedlungspflanzung 
auf 75 bis weit über 100 Rupien veranschlagt. 
Die viehgüchtenden Siedler müßten, vor allem im 
Interesse der Seuchenbekämpfung, ihre Weiden 
oinzäunen (einfenzen), was ebenfalls beträchtliche 
Mittel erfordere. 
Nur einem Teile der Siedler sei es infolge 
besonderen Fleißes oder durch die Unterstützung 
von Verwandten gelungen, das Eigentum an 
dem gepachteten Lande zu erwerben. Dagegen 
sei das Gros der Siedler noch immer Pächter; 
sie vor allem forderten jetzt eine Organisierung 
des Kreditwesens. 
Da wegen des Pachisystems reiner Grund- 
kredit nicht in Frage komme, sei man in den 
Verhandlungen des Landesverbaudes auf die 
Ausbildung eines Erntekredits verfallen. Da sich 
hiergegen zunächst starke Bedenken rechtlicher 
Natur erhöben, hätten sich die Erörterungen bis- 
lang vorwiegend nach dieser Richtung hin be- 
wegt, ohne daß man aber zu einem Ergebnis 
gekommen sei. Die wirtschaftliche Seite der 
Crntekredite sei bisher gegenüber den rechtlichen 
Bedenken weniger geprüft worden. 
In nenerer Zeit mache sich unter den Siedlern 
auch eine Bewegung nach genossenschaftlichem Zu- 
sammenschluß geltend, die, Zeitungsnachrichten 
zufolge, in einigen Bezirken bereits praktische Ge- 
staltungen zu zeitigen schiene. 
Der Vorsitzende: Es stehe außer Zweifel, 
daß die Siedler in Deumsch-Ostafrika teilweise mit 
großem Fleiß gearbeitet hätten. Bei seiner 
Dienstreise habe er vor allem die Siedler am 
Kilimandscharo und Meru als nüchterne und 
sparsame Leute kennen gelernt. Grundstücks- 
  
verkäufe hätten wohl inzwischen doch schon in 
etwas größerem Umfange stattgefunden. 
Man werde zu unterscheiden haben, wie den 
Siedlern, die bereits Eigentum an ihren Farmen 
erlangt hätten, Kredit verschafft werden könne, 
und wie den Siedlern, die bislang nur Pächter 
seien, geholfen werden könne. Was die Grund- 
stückseigentümer beträfe, so sei an erster Stelle 
zu prüfen, ob für sie das, was bezüglich Süd- 
westafrika gesagt worden sei, zutreffe. Zunächst 
freilich müsse hierzu ein Bericht des Gouverneurs 
eingesordert werden, der sich darüber ausspräche, 
ob ein Bedürfnis, diesen Kredit zu organisieren, 
vorhanden sei. 
Oerr Präsident Dr. Heiligenstadt bat um 
Auskunft, ob eine Abrechnung zwischen der Re- 
gierung und den Siedlern erfolge, wenn der 
Siedler einen Teil des Landes kultiviert habe, 
dann aber das ganze Land der Regierung zu- 
rückgäbe. 
Herr Geheimrat Haber: Zu seiner Zeit seien 
die Pachtverträge auf 25 Jahre geschlossen worden; 
der Siedler habe darin die Verpflichtung über- 
nohmen müssen, jährlich einen bestimmten Teil 
des Landes urbar zu machen. Es sei wohl vor- 
gekommen, daß Siedler, besonders Buren, mit 
der Urbarmachung des Landes überhaupt nicht 
begonnen hätten und daß das ganze Land un- 
bearbeitet an den Fiskus zurückgefallen sei; da- 
gegen habe sich der Fall, daß ein Siedler einen 
Teil des Landes urbar gemacht habe und dann 
das ganze Land gleichwohl wieder an die Re- 
gierung zurückgefallen sei, wohl kaum ereignet. 
Oerr Senator Strandes: Die Verhältnisse 
lägen für eine Kreditorganisation in Deutsch- 
Ostafrika infolge des ungesunden Klimas wesent- 
lich schlechter als für Südwestafrika, zumal da 
wegen des Pachtsystems nur Personalkredit über- 
haupt Bedeutung erlangen könne. Dadurch, daß 
die Siedler zur Erhaltung ihrer Gesundheit von 
Zeit zu Zeit eines längeren Europaaufenthaltes 
bedürften, würden die ganzen Finanzverhältnisse 
stark erschüttert. Er sähe zunächst nur einen 
Weg, um überhaupt etwas zu erreichen, nämlich 
den, auf genossenschaftlicher Basis vorzugehen, 
weil sich bei genossenschaftlicher Organisation die 
Siedler gegenseitig überwachen würden. Aber 
auch hier böte sich mancherlei Schwierigkeit und 
es sei ihm sehr zweifelhaft, ob ein großer Erfolg 
dabei erzielt werden könne. 
Durch die Einführung des Erntekredits könne 
den Siedlern etwas geholfen werden. Eine um- 
fängliche Organisation sei zur Einführung dieses 
Kredits wohl nicht nötig. Über die juristischen 
Schwierigkeiten könne man wohl hinwegkommen.
	        
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