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Somit find auch die Gründe hinfällig, auf welche die feindlichen Regierungen — wenigstens
formell — ihre ablehnende Haltung gestützt haben.
Ubrigens bieten aber auch Fassung und Sinn des Artikels 11 der Kongo-Akte rechtlich die
Möglichkeit, in jedem Stadium der Feindseligkeiten die Frage der Neutralisierung der unter die Kongo-
Akte fallenden Gebiete aufzunehmen und die Neutralisierung herbeizuführen. Wenn es also den
Verbündeten ernstlich daran gelegen hätte, den Krieg aus Aquatorialafrika fernzuhalten, so hätten
jene unbedeutenden Grenzplänkeleien, die aus dem Borgehen untserer ostafrikanischen Schutztruppe
in der zweiten Augusthälfte erst in der Folge entstanden, für die drei verbündeten Regierungen noch
keineswegs zur Veranlassung zu dienen brauchen, den Vorschlag der Neutralisierung abzulehnen. Hat
doch auch Deutschland sich weder durch die Vorgänge im Ssanga= und Ubangizipfel von Kamerun,
noch durch die Beschießung von Daressalam und die Wegnahme des Dampfers „Hermann von Wiss-
mann“ darin beirren lassen, seinerseits die Initiative zur Neutralisierung des Kongobeckens zu ergreifen.
Allerdings hatte die Reichsregierung niemals damit gerechnet, daß ein europäischer
Krieg, in den Deutschland verwickelt sein würde, auf die Kolonien übertragen werden würde.
Das ergibt sich u. a. schon aus der Tatsache, daß die in den drei größeren Schutzgebieten
Ostafrika, Kamerun und Südwestafrika bestehende militärische Organisation in Gestalt einer Schutz-
truppe von jeher ausschließlich auf die Sicherung dieser Länder gegen Eingeborenenaufstände, nicht
aber gegen einen äußeren Feind zugeschnitten war, die übrigen Kolonien aber lediglich
über mehr oder weniger unbedeutende Polizeitruppen verfügten, und irgendwelche Grenzbefestigungen
überhaupt nirgends vorhanden waren. Auch nachdem bereits jene obenerwähnten Akte der Feind-
seligkeiten in Ostafrika und Kamerun vorgefallen waren, hatte Deutschland noch nicht die Hoffnung
aufgegeben, daß es hierbei sein Bewenden haben würde, und eine Neutralisierung der in Frage
kommenden Gebiete Afrikas noch zu erreichen wäre.
Nach verschiedenen, zwischen den beteiligten Ressorts der Reichsregierung und dem Botschafter
der Bereinigten Staaten in Berlin gepflogenen Vorverhandlungen wurde in der Angelegenheit der
nachstehend mitgeteille Schriftwechsel geführt:
1. Schreiben des Unterstaatssekretärs im Auswärtigen Amt an den Botschafter der
Vereinigten Staaten in Berlin.
Auswärtiges Amt. Berlin, den 23. August 1914.
Der Unterzeichnete beehrt sich Seiner Exzellenz, dem Botschafter der Vereinigten Staaten von
Amerika, Herrn Gerard, nachstehendes mitzuteilen:
Artikel 11 der Kongo-Akte vom 26. Februar 1885 sieht vor, daß die in der konventionellen
Freihandelszone liegenden Kolonien neutralisiert werden sollen, wenn das betreffende Mutterland in
einen Krieg verwickelt wird; und zwar verpflichten sich die die Akte unterzeichnenden Mächte, ihre
guten Dienste zu leihen, damit im Einverständnis mit den kriegführenden Teilen die Neutralität der
betroffenen Gebiete erklärt wird.
Die zur Zeit im Kriege befindlichen europäischen Staaten besitzen in der Freihandelszone
jolgende Gebiete:
Deutschland: Ganz Deutsch-Ostafrika, etwa ein Drittel von Kamerun;
England: Ganz Britisch-Ostafrika, das ganze Uganda-Protektorat, das ganze Nyassa-
land-Protektorat, einen kleinen Teil von Nord-Rhodesien;
Frankreich: Etwa die Hälfte von Französisch-Aquatorialafrika;
Belgien: Den ganzen Belgisch-Kongo.
Nach den bisherigen Nachrichten sind zunächst von England zwei feindselige Akte im Gebiet
der Freihandelszone unternommen worden: Die Beschießung von Daressalam und die Wegnahme
des Dampfers „Hermann von Wissmann“ auf dem Njassasee.
Aus den Protokollen der Konferenz von Berlin 1884/85 geht hervor, daß Kap. III der
Kongo-Akte mit den die Neutralität behandelnden Artikeln 10, 11, 12 einer Anregung des Vertreters
der Vereinigten Staaten von Amerika, M. John A. Kasson, zu danken ist. Bereits in der zweiten
Sitpzung (vgl. Protokoll Nr. 2 vom 19. November 1884) verlas M. Kasson eine Erklärung, aus der
der dringende Wunsch seiner Regierung hervorgeht, daß das Freihandelsgebiet bei Kriegen zwischen
zivilisierten Mächten nicht in Mitleidenschaft gezogen werde.
In einem am 10. Dezember 1884 (ogl. Anlage Nr. 13 zum Protokoll Nr. 5 vom 18. De-
zember 1884) vorgelesenen Exposé führte M. Kasson eingehend und überzengend die für eine Neutra-