Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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ich den Wasserweg. Ich konnte auch keine Träger 
mehr bekommen für die Fußtour; alle fürchteten 
sich vor dem immer näher kommenden „bila“ 
(Krieg). Einige Schüler, die bis dahin meine 
neuen Begleiter waren, baten mich unter Tränen, 
sie doch jetzt zu beurlauben; sie hätten so große 
Angst vor den Kugeln, die uns sicher treffen 
würden; wenn der Krieg vorbei wäre, dann 
wollten sie gern wieder überall mit mir hinziehen. 
Als auch noch die Mütter schluchzend und flehend 
herbeikamen, ihre Söhne doch nicht in den Tod 
zu führen, gab ich nach und nahm nur zwei be- 
herzte Jungen mit, die mich über das Wasser 
rudern wollten, und einen schwarzen Hilfslehrer, 
der das Kanu wieder zurückbringen sollte. Als 
ich Abschied nahm, kamen die alten Christen und 
legten mir bittend nahe, ich möchte doch dableiben, 
bei ihnen sei ich gut aufgehoben. Ich fände auch 
kein Kanu an der Küste; denn man hätte alle im 
Busch versteckt, aus Furcht, sie würden genommen 
werden. Doch ich mußte nach Sodiko, denn 
auch dort waren Christen und erwarteten sehn- 
süchtig einen Priester; desgleichen wollte ich dort 
die beiden oberen Schulklassen neu einrichten. So 
zog ich mit meiner zusammengeschmolzenen Kara- 
wane an den Strand; es war gegen Abend. 
Tatsächlich waren alle Kanus verschwunden. Doch 
bald hatten wir eins im Busch versteckt gefunden. 
Wir schleppten es zum Wasser. Da es ziemlich 
klein war, hatten wir große Mühe, außer uns 
noch drei Kisten und das Fahrrad unterzubringen 
und dabei über dem Wasserspiegel zu balancieren. 
Jeder, auch der gleichmäßigste Ruderschlag brachte 
Wasser und bald sahen wir, daß das Kanu, in- 
folge seiner jedenfalls schon längeren trockenen 
Lage auf dem Lande, auch am Boden und an 
den Seiten undicht war und Wasser faßte, so daß 
ich sortwährend ausschöpfen mußte, um nicht un- 
liebsame, allzu nahe Bekanntschaft mit dem Wasser 
machen zu müssen. Wir fuhren nicht den ge- 
wöhnlichen längeren Weg von Dibombari nach 
Sodiko, sondern einen geheimen kleinen Kriek, 
der den Dibombari-Kriek mit dem Bonendale- 
Flusse verbindet. Jenseits dieses sogenannten 
Bonendale = Flusses lag Sodiko. Wir fuhren 
absichtlich diesen Schleichweg, weil wir hörten, 
daß bereits armierte englische Fahrzeuge am 
Ausgange des Dibombari-Krieks sich herumtrieben 
und den Durchgang versperrten. Auf diesem 
Kanu konnten wir indessen nicht weiter gelangen. 
Ich gab deswegen den Ruderern die Anweisung, 
das Kanu samt den Kisten zurückzuziehen nach 
Dibombari; ans Land konnten wir nicht wegen 
des zu tiefen Uferschlammes und Gestrüppes. Es 
blieb mir schließlich doch nichts anderes übrig, 
als in den tiefen Schlamm zurückzuwaten; denn 
warten konnte ich nicht lange, da das hohe Wasser 
  
bald kommen konnte und es sehr gefährlich war, 
in meinen ohnehin schon durchnäßten Kleidern in 
der kühlen Nacht länger ruhig sitzen zu bleiben. 
Wir brauchten einige Stunden, bis wir uns durch 
die Dunkelheit, durch den Schlamm und über 
die im Schlamm liegenden Bäume und Aste 
durchgearbeitet hatten. Schwimmen war in dem 
Schlammwasser unmöglich. Bald trug das Kanu, 
das wir hinter uns herzogen, auch die Kisten 
nicht mehr, so daß die Schwarzen diese tragen 
mußten oder vielmehr hinter sich herschleppten. 
Wir atmeten auf, als wir von weitem den Strand 
von Dibombari schimmern sahen. Wie ich aus- 
sah bei meiner Ankunft am Land, läßt sich nicht 
beschreiben: voll von Morast von oben bis unten 
und die Kleider in der Kiste, die durch das Herum- 
zerren noch dazu aufging, waren nicht besser; 
die Schuhe, die ich vorher auszog, waren auch 
nicht mehr zu sehen. Ich mußte meine Kleider 
förmlich herunterreißen, badete mich an einer 
tieferen Stelle und band mir wie die Schwarzen 
ein weißes Bettuch um die Lenden, das ich mir 
aus einer schwarzen Hütte hatte holen lassen. 
Wir suchten nun ein anderes, größeres Kanu, 
packten die Kisten samt den nassen Kleidern auf 
und fuhren wieder fort. Unterdessen war auch 
schon die Flut eingetreten, so daß wir gute Fahr- 
straße hatten. Als wir an die Stelle kamen, wo 
der Kriek in den breiten Bonendale-Fluß mündet, 
hörten wir Stimmengewirr und sahen mehrere 
umherkreuzende Fahrzeuge. Wir schwebten in 
großer Gefahr, angeschossen zu werden; denn die 
deutschen. Fahrzeuge der Flußpolizei ließen nachts 
kein Kanu passieren, und waren es feindliche 
Barkassen — wie sich's tatsächlich nachher heraus- 
stellte —, so hatten wir noch größere Aussicht, 
für Spione gehalten zu werden und eine Gewehr- 
salve oder einen Blitzguß aus einem Maschinen- 
gewehr zu bekommen. Doch da wir von Sodiko, 
meinem Reiseziele, nicht mehr weit weg waren, 
so wollte ich auf keinen Fall zurückkehren, sondern 
ergriff selbst ein Ruder, kommandierte leise und 
.. wir schossen durch die Wellen unbemerkt quer 
über den Fluß, wo wir uns im Schatten des 
Ufergestrüppes hindurchduckten, zur Einfahrt nach 
Sodiko. 
Als wir ankamen und den Uferhügel zum 
Dorfe hinankletterten, war es Mitternacht und 
alles im Schlafe. Doch bald wurde es lebendig, 
als die Ankunft des Paters bekannt wurde. Die 
Christen schlichen neugierig herbei und wollten 
anfangs mich gar nicht erkennen in meiner dürf- 
tigen Kleidung. Als ich sie jedoch ansprach und 
ihnen kurz den Grund meines so späten Ein- 
treffens und meines Aufzuges darlegte, weinten 
sie fast vor Mitleid: sie brachten mir sofort Tücher 
und lange Frauenröcke und bereiteten ein Feuer
	        
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