Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

W 282 20 
kannt zu werden. Eben war ich daran, mich mit 
dem schwarzen Zingulum zu umgürten, da hörte 
ich plötzlich wuchtige Schläge an die verschlossenen 
Fensterläden und das Geschrei der auf meine 
Ankunft aufmerksam gewordenen Bell-Leute, 
die sofort in Scharen herbeiströmten, um meiner 
jetzt um jeden Preis habhaft zu werden. 
„Wo ist das Germanbeest,“ riefen siec, „kommt, 
laßt uns ihm den Schädel abschlagen,“ 
schrien andere, „dann ist er abgetan und wir 
erhalten ein gutes Geschenk von den Eng- 
ländern, wenn wir ihnen den Kopf 
bringen.“ 
Zum Glück war die vordere Tür fest ver- 
riegelt; draußen hörte ich den Streit unserer 
Christen mit den Mordgesellen, dem ich aber nicht 
lange zuhorchen konnte. Ich nahm schnell meine 
beiden Begleiter von Bonendale, ergriff eine 
kleine Lampe und schlüpfte durch die Hintertür 
hinaus, um durch den Busch, der sich gleich hinter 
dem Lehrerhäuschen anschloß, auf einsamen Um- 
wegen zur Straße zu gelangen, die nach Bona- 
sama, dem Lager der Engländer, führte. Meine 
Begleiter wollten jedoch auf einmal nicht mehr 
weiter. A Sango Pata,= huben sie an, „es ist 
gesährlich, auf diesem Wege weiter zu gehen, wir 
gehen in den Tod.“ Die Engländer hatten näm- 
lich ein öffentliches Verbot erlassen, niemand dürfe 
nach 6 Uhr abends mehr das Dorf Bonaberi ver- 
lassen und sich auf den Weg nach Bonasama 
wagen. Ohne Gnade und Pardon würde ein 
jeder niedergeschossen. Aber welchen Ausweg hatte 
ich noch, wollte ich mich nicht freiwillig in die 
Hände der schwarzen Verräter begeben? Aller- 
dings, auch anderseits ging ich einem höchst un- 
sicheren Schicksal entgegen: näherte ich mich doch 
immer mehr den feindlichen Reihen. Doch lieber 
wollte ich richtig eine feindliche Kugel bekommen, 
als von den verabscheuungswürdigen Duala-Ver- 
rätern mich in der gemeinsten Weise zerfleischen 
zu lassen. Ich teilte das auch meinen Begleitern 
mit. Da sie sahen, daß ich auf keinen Fall um- 
kehren wollte, wollte der eine Christ (Josef Ndumbe 
Moni), ein stämmiger Junge, mein einstiger 
Schüler, doch auch nicht von meiner Seite in 
dieser gefahrvollen Stunde weichen, und der Unter- 
häuptling von Bonendale Epee getraute sich auch 
nicht, allein wegzugehen. Die Situation wurde 
tatsächlich von Schritt zu Schritt höchst gefährlich; 
denn jeden Augenblick mußten wir auf eine Kugel 
oder eine Salve aus dem Busch von seiten englischer 
Vorposten gefaßt sein; kamen wir doch schon in 
ziemliche Nähe von Bonasama. Ich legte meinen 
Begleitern nachdrücklich ans Herz, im entscheiden- 
den Augenblick ja nicht auszureißzen, auf jeden 
Fall müßten sie sofort stehen bleiben, wenn wir 
angerusen würden, auch wenn man vorher auf 
  
uns schießen würde. Mit schlotternden Knien 
gaben sie das Versprechen, meiner Weisung zu 
folgen. Gefaßt auf alles, gingen wir voran und 
sorgten dafür, daß die Brise uns nicht das Licht 
auslöschte. Ein jeder von uns hing seinen Ge- 
danken nach, es war eine lautlose nächtliche 
Wanderung auf Todespfaden .. drei wohl- 
gezielte gute Schüsse aus dem Versteck, und Afrika 
hätte drei Tote mehr gehabt. Ich warf von Zeit 
zu Zeit einen scharfen Blick nach dem Gebüsch auf 
beiden Seiten des Weges, lauschte ab und zu . . . . 
nur unsere Schritte hallten durch die Tropennacht 
unheimlich flackerte unter solcher Stimmung 
der Lichtschein unserer Lampe in die Finsternis 
hinein . . . . da, plötzlich hörten wir aus dem 
nahen Gebüsch einen unartikulierten, durchdringen- 
den Schrei, ein Aufspringen einer dunklen Kolonne 
die Böschung heraus, das Blitzen von mehreren 
Bajonetten im Schimmer unserer Lampe, den 
charakteristischen Schlag von der Ausschaltung der 
Sicherung mehrerer Gewehre Meine Be- 
gleiter glaubten schon eine Kugel im Leibe zu 
verspüren, sie wollten ausreißen, mit Mühe hielt 
ich sie bei mir fest; sie schoben mich vor und 
suchten beide hinter mir Deckung. Mit lauter 
Stimme baten sie die dunklen Gestalten von 
weltem, doch nicht zu schießen, sie seien keine 
Feinde, sondern Eingeborene. In der Tat, die 
schwarzen Soldaten waren schußbereit und im 
Begriff, uns niederzuknallen. Das Geschrei meiner 
Begleiter machte sie jedoch stutzig, auch schienen 
sie sich gewundert zu haben über meine weiße, 
lange Gewandung; zudem bemühte ich mich in 
dieser allerdings bluterstarrenden Situation, nach 
außen hin ganz gleichgültig zu erscheinen, winkte 
die schwarzen Soldaten heran und rief ihnen auf 
Negerenglisch zu, sie möchten ruhig herankommen, 
ich wollte zu ihrem weißen Kommandanten (massa). 
Sie kamen jedoch nicht direkt auf mich zu, sondern 
zogen manövrierend immer engere Kreise um uns, 
indem sie katzenartig, jedoch immer schußbereit, 
auf= und vorsprangen und dann sich wieder 
bückten, bis sie auf einige Meter entfernt waren 
..da hatte ich plötzlich acht Bajonette vor der 
Brust und um mich; meine Begleiter sprangen 
behend etwas seitwärts. Ich glaubte schon, im 
nächsten Augenblick die Stahlspitzen im Leib und 
in der Brust zu haben, tat aber nach außen hin, 
als ob mich das gar nichts anginge, verlangte 
vielmehr wiederholt, zum Kommandanten geführt 
zu werden. Zwei der Soldaten ergriffen mich 
sofort bei den Armen, griffen nach den Taschen, 
ob ich Waffen hätte, während die anderen immer 
schuß= und stichbereit um mich standen. Einer 
wollte mich binden, aber sie nahmen mich dann 
nur in ihre Mitte, zwei vorn, je zwei zu beiden 
Seiten, zwei hiuten mit bereit gehaltenem Ba-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.