Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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zwei Engländer mit mehreren Soldaten und 
nahmen die Station ein. Sofort wurde Beschlag 
gelegt auf die beträchtlichen Proviantvorräte, wie 
auch auf mein Groß= und Kleinvieh, alles zu- 
sammen im Werte von mehreren tausend Franken. 
Requisitionsscheine wurden keine ausgestellt. Auch 
drangen die Soldaten gleich in die Gärten ein 
und holten sich Früchte und Gemüse, durchwühlten 
auch den Kartoffelacker und nahmen daraus, was 
vorhanden war. Wegen der anderen Sachen auf 
unserer Station versicherten die Engländer, es 
werde alles so bleiben, wie wir es verlassen. 
Das Haus werde abgeschlossen und bewacht. Daß 
man diesen Versprechungen nicht ganz trauen 
durfte, ging schon daraus hervor, daß nach An- 
gabe von Frau Missionar Sch. der gleiche Herr, 
der die Versicherung abgab, aus ihrem Wohn- 
zimmer heraus ein Fernglas in seinen Taschen 
verschwinden ließ. Eine Taschenuhr verschwand 
ebenfalls. Auch kamen bald welche von unseren 
farbigen Angestellten daher mit der Klage, die 
Soldaten hätten dem einen seine Uhr wegge- 
stohlen, dem andern sein Geld und sie wären imn 
die Wohnräume unseres Dienstpersonals einge- 
drungen und hätten sich dort angeeignet, was 
ihnen gefiel. Ferner hat meine Frau nachher 
auf dem Wege nach der Küste zu schon Gegen- 
stände aus unserem Hause im Besitz von Eng- 
ländern und ihrem schwarzen Anhange gesehen, 
wie z. B. einen Madeirastuhl, eine Küchenschürze 
und einen Teppich aus unserem Kinderbettchen. 
Nach der Einnahme unserer Missionsstation 
nahmen die Engländer Missionar Sch. und Herrn 
Dr. Häberlin auch als Gefangene gleich mit 
nach Nkongsamba, während die übrigen, zwei 
Männer und fünf Frauen, vorläufig dableiben 
durften, bis die Engländer uns, wie sie sagten, 
nach drei bis vier Tagen von dort zurückbringen 
und dann alle miteinander die Reise nach Duala- 
antreten würden. Man ließ meine Frau und 
die anderen Stationsgenossen im Glauben, wir 
würden in Duala wohl auf ein Schiff kommen, 
könnten aber nach einigen Wochen wieder auf 
unsere Station zurückkehren. Im weitern wurde 
bestimmt, daß pro Person an Kleidern nur eine 
Traglast mitgenommen werden könne. 
Eine Viertelstunde hinter unserer Station 
schlugen die Engländer an jenem Abend — es 
war der 9. Dezember — ihr Lager auf. Vorher 
kam es aber noch zu einem Gefecht, bei welchem 
sie die Kanonen aufstellten und zu schießen be- 
gannen. Während dieser Kanonade befanden wir 
Gefangenen uns nahe hinter den Geschützen in 
einer äußerst ungemütlichen Situation. Es dauerte 
ziemlich lange, bis wir in angemessene Entfernung 
zurückgebracht waren. 
Am andern Tage zogen die Engländer in 
——— 
  
Nkongsamba ein, wo wir in einer Faktorei 
untergebracht wurden und kein Essen bekamen. 
Auch sonst war die Behandlung unwürdig und 
brutal. Durften wir doch keinen Schritt ohne 
Erlaubnis aus dem Hause heraus und wurden, 
wenn wir austreten mußten, von zwei Soldaten 
mit aufgepflanzten Bajonetten begleitet, wie wenn 
wir Verbrecher wären. Mir und meinen Stations- 
enossen war gar keine Gelegenheit geboten, unser 
pob und Gut in Kisten zu verpacken, weil wir 
gleich in die Gesangenschaft wandern mußten, 
obwohl ich einem neutralen Lande angehöre. 
Am darauffolgenden Morgen wurden wir nach 
Ndunge zurückgebracht, von wo aus wir ge- 
meinsam mit meiner Frau und meinem Kind und 
mit den übrigen Stationsgenossen und Gästen 
die Reise nach der Küste zu antraten. Auf der 
nahen Eisenbahnstation Mambellion kamen noch 
andere Gefangene dazu. Auf einen offenen Güter- 
wagen wurden die Frauen und Kinder und das 
Gepäck verladen. Weil keine brauchbare Loko- 
motive zur Stelle war, und der Wagen auch keine 
Bremsvorrichtung hatte, so band man lange Stricke 
hinten an dem Wagen an und ließ diese durch 
Schwarze halten, damit bei dem starken Gefälle 
der Wagen nicht durchbrennen solle. Ein ge- 
fangener Bahnbeamter, der die Linie genau 
kannte und der Sache nicht recht traute, bot sich 
an, den Transport zu leiten. Er wurde aber 
abgewiesen. Es zeigte sich bald, daß die die 
Stricke haltenden Leute nicht genügten. Der 
Wagen kam in rasenden Lauf. Bei den scharfen 
Kurven wäre eine Entgleisung leicht möglich ge- 
wesen. Ferner wußten sowohl die Frauen auf 
dem dahinsausenden Wagen als wir hinten nach- 
eilenden Männer, daß etwa 30 km weiter unten 
eine Brücke gesprengt war und der Wagen, wenn 
er nicht zum Stehen kommt, in den Dimbombe- 
Fluß hinausfährt. In der Verzweiflung begannen 
die Frauen nacheinander abzuspringen. Während 
ein verwundeter schwarzer Soldat, welcher auch 
auf dem Wagen saß, als erster den Absprung 
wagte, unter die Räder kam und gleich tot war, 
kamen wunderbarerweise die Frauen und Kinder 
mit verhältnismäßig geringen Verletzungen davon. 
Meine Frau, die mit unserem zweieinhalb- 
jährigen Kinde als letzte heruntersprang, hatte 
wohl am schwersten unter den Folgen zu tragen. 
Sie fiel auf den Rücken und offenbar auf einen 
Stein, so daß sie mehrere Wochen lang Schmerzen 
hatte und fast nicht liegen konnte. Und der 
Hinterkopf des Kindes schlug ihr so scharf auf 
den Mund, daß mehrere von den oberen Zähnen 
losgeschlagen und zum Teil abgebrochen wurden. 
Wir werden diese Schreckensfahrt nie vergessen. 
In Duala angekommen, wurden wir Schweizer 
zuerst für einige Tage mit den deutschen Gefan-
	        
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