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der englische Gesandte in Brüssel dem Kongostaat
Mitteilung von dieser Note und von der auf sie
erteilten Antwort Deutschlands vom 24. April 1901.
In der Folge unternahm die englische Regierung
wiederholt Schritte, um sich in Berlin über den
Stand der deutsch-kongolesischen Verhandlungen
zu informieren.
Die dauernde Erfolglosigkeit der mit dem
Kongostaat geführten Verhandlungen sowie die
Aufwerfung der Mfumbirofrage durch England
führten die deutsche Regierung dazu, zunächst mit
England eine Verständigung über diese Frage zu
suchen, um damit indirekt auch eine solche mit
Belgien über die Kiwufrage herbeizuführen. Eine
Klärung der Msumbirofrage war mit Rücksicht auf
den Sultan von Ruanda, dem ein großer Teil
des Südabhanges der Virunga-Kette zugehörte,
im Interesse von Deutsch-Ostafrika dringend ge-
boten. Verhandlungen, die zu diesem Zweck im
Frühjahr 1909 mit London eingeleitet wurden,
führten am 19. Mai 1909 zu der gewünschten
Verständigung mit England und sicherten Deutsch-
land Großbritannien gegenüber, wenn auch unter
Opferung eines Teiles von Mpororo, den größten
Teil des Südabhanges der Vulkankette.
Unter dem Druck dieser für den König uner-
warteten deutsch--englischen Verständigung und
weil Truppen aus Uganda alsbald in das Gebiet
nördlich der Vulkane einrückten, entschloß man sich
in Brüssel endlich dazu, die Politik des Hinhaltens
aufzugeben. Das unerwartet schnelle Ableben
König Lcopolds am 17. Dezember 1909 beschleu-
nigte die Erzielung einer Verständigung, die end-
lich am 14. Mai 1910 in Brüssel nach dreimonati-
gen Verhandlungen zwischen Vertretern Belgiens,
Deutschlands und Englands erreicht wurde und
die dem langjährigen Streit um das Kiwu= und
Vulkangebiet ein Ziel setzten.
Leicht waren diese Verhandlungen freilich nicht
gewesen. Die belgischen Vertreter, lauter hervor-
ragende Juristen, stellten sich zunächst auf den
formalen juristischen Standpunkt, daß Deutschland
die Neutralitätserklärung und damit die gerad-
linige Grenze im Norden des Tanganjika wieder-
holt anerkannt habe. Die einzige Grundlage der
Grenzbeziehungen zwischen dem Kongo und Ost-
afrika sei diese Neutralitätserklärung. Die Grenz-
festsetzung sei autonom, Ausfluß der Souveränitäts-
rechte des neuen Staates gewesen. Immer wieder
wurde von ihnen behauptet, daß der Kiwu damals
noch ganz unbekannt gewesen sei und gar nicht
habe in Betracht kommen können. Diese auf
historisch-geographischer Unkenntnis beruhende Be-
hauptung widerlegte sich bei den weiteren Ver-
handlungen schon durch den Nachweis, daß der
König selbst sein erstes Grenzprojekt, das er Bis-
marck am 8. August 1884 einsandte, auf eine
Karte eingetragen hatte, die klar und deutlich
den Namen „Kiwo“ aufwies (vgl. Kartenanlage
Nr. 1). Stanley war es, der in seinem Buch
»How I found Livingstone", London 1872,
S. 502, schrieb: „The Rusizi River — according
to Ruhinga — rose near a lake called Kivo 4
Auf der dem Werk beigegebenen Karte wird der
See,Kivoc Lake- geschrieben. Wenn die Karte,
die als Unterlage zu den französisch-kongolesischen
und belgisch-kongolesischen Verträgen des Jahres
1885 in Brüssel benutzt war, den Namen nicht
kannte, so kam dies nur daher, daß sie ein völlig
ungenügendes kartographisches Produkt war, das
keineswegs auf der Höhe der Zeit stand.
Von deutscher Seite wurde betont, daß die
Neutralitätserklärung nur eine deklarative Bedeu-
tung habe. Sie habe die ihr zugrunde liegenden
Verträge der Association mit Deutschland und
Frankreich interpretieren, erläutern, aber nicht
abändern wollen. Sie habe wiederholen wollen,
was diese allein maßgebenden Verträge in anderer
Form enthielten, indem sie auf die beigefügten
Karten verwiesen. Wenn dies nicht der Fall sei
und wenn mit der Grenzbeschreibung nicht die
Absicht verbunden gewesen wäre, in ihr dasselbe
zu umgrenzen, was durch die Verträge, auf die
im Vordersatz Bezug genommen wird, bereits
gesagt war, so trage die Neutralitätserklärung
in diesem Punkt einen in sich unlösbaren Wider-
spruch. Um dies zu erkennen, um festzustellen,
ob die spätere Beschreibung der Grenzen in der
Tat identisch ist mit dem Inhalt der grundlegen-
den Verträge, sei die Vorlegung der alten Ver-
tragskarten im Original notwendig. Wäre die
belgische Auffassung richtig, so müsse ein freiwilliger
Berzicht Deutschlands auf die ihm vertragsmäßig
zustehende Grenze angenommen werden. Verzichte
würden aber nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen
nicht vermutet, sondern gelten nur insoweit, als
sie klar und deutlich ausgesprochen sind. Das
deutsche Anerkenntnis zum Wortlaut der Neutra-
litätserklärung sei seinerzeit nur gegeben in der
Voraussetzung, daß die Grenzbeschreibung mit den
Verträgen übereinstimme. Mit der fortschreitenden
Erforschung des Landes sei ersichtlich geworden,
daß die Annahme dieser Ubereinstimmung ein
sundamentaler Irrtum gewesen sei, der veranlaßt
worden sei durch das mangelhafte und schlecht
redigierte Kartenmaterial, das dumals von der
Association unterbreitet wurde, obwohl schon
besseres und genaueres zur Verfügung gestanden
hätte, und durch die wiederholt von kongolesischer
Seite abgegebene Erklärung, daß die geradlinige
Grenze nur ganz unwesentlich von dem Russisilauf
abweiche.
Die sehr lang ausgesponnenen Debatten über
die juristische Seite der Frage führten schließlich