Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVII. Jahrgang, 1916. (27)

G 295 20 
von den für die Schiffsmannschaft gelieferten und 
von dieser wegen ihrer schlechten Beschaffenheit 
verschmähten Heringen nahmen. Diese waren 
aber so tranig und hart, daß man sie erst tage- 
lang aufweichen mußte. 
Auf der „Obuasil“ war den Gefangenen in 
Madeira gestattet worden, sich. für ihr eigenes 
Geld Eßwaren und Obst zu kaufen. Der 
Handel in diesen Gegenständen ging dabei in der 
Weise vor sich, daß englische Unteroffiziere 
und jüngere Offiziere das angekaufte Obst 
von den Verkäufern billig ankauften 
und den Gefangenen zu hohen Preisen 
weiterverkauften. Ebenso wurden auf der 
„Obuasi“ Wiskyvorräte, welche in den englischen 
Kolonien festgenommene deutsche Kaufleute an 
Bord gebracht hatten, diesen von der Schiffs- 
besatzung abgenommen und damn den Gefangenen 
zu hohen Preisen angeboten. 
Die Trinkwasserverhältnisse waren vielfach 
mangelhaft. So war es auf der „Obuasi“ von 
Lagos nach England gelb und trübe und der 
Menge nach unzureichend. Der I. Offizier ant- 
wortete auf Beschwerden „Fou will learn to be 
thirsty“"! Auf der „Bathurst“ mußte Negen- 
wasser, das durch die Löcher des Sonnensegels 
in einer Waschschüssel gesammelt war, als Trink- 
wasser benutzt werden. Ebenso litten die Ge- 
fangenen aus Togo auf der „Obuasi“ von Lome 
nach der Goldküste und auf der „Akassa“ unter 
dem Mangel an Trinkwasser. 
Trotz dieser menschenunwürdigen Ernährung 
ist den Gefangenen auf der „Appam“ am Schluß 
der Reise das schriftliche Anerkenntnis abverlangt 
worden, daß die „Verpflegung die für Kriegs- 
gefangene übliche gewesen sei“. 
VII. 
Die Folge dieser mangelhaften Unterbringung 
und Ernährung der Gefangenen war, daß der 
allgemeine Gesundheitszustand außerordentlich 
schlecht war. Die „Obuasi“ hatte bei ihrem Ein- 
laufen in Southampton zehn Schwerkranke an 
Bord. Eine Frau mußte wegen völliger Ent- 
kräftung ins Krankenhaus überführt werden. Ein 
junger Deutscher war unterwegs gestorben. Auf 
der „Bathurst“ und „Appam“ waren fast immer 
gleichzeitig ein Dutzend Gefangene, darunter zahl- 
reiche Kinder, krank, meist malaria-, magen- 
und darmleidend. Auf der „Appam“ traten in- 
folge der schlechten Kost, der schmutzigen Betten 
und der sonstigen Unterbringung Hautkrankheiten 
und Geschwüre auf. Unter ihnen hatten die 
Kinder besonders zu leiden. 
VIII. 
Rücksichtslos war das Verhalten der Eng- 
länder den Kranken gegenüber. Auf der „Laurenltic“ 
wurden die schwer unter der Seekrankheit leidenden 
  
Frauen nicht nur ohne Bedienung gelassen, es 
wurde sogar den Männern nicht gestattet, sich um 
sie zu kümmern. Als eine Frau auf der „Laurentie“ 
an Mittelohrentzündung erkrankte, gelang es 
ihrem Manne erst nach langem Bemühen, von 
dem Kommandanten die Erlaubnis zu erwirken, 
sich zu ihr zu begeben. Aber diese Erlaubnis 
währte nur eine Stunde. Auf der „Appam“ fand 
für die Hautkranken während des ganzen Trans- 
portes keine Ernenerung der Bettwäsche statt und 
kranken Kindern wurde das Essen entzogen, da 
„Kranke nichts zu essen brauchten“. 
Auf der „Boulama“ wurde einem Fieber- 
kranken, der im Laderaum ohne Decke lag, seine 
Bitte um eine solche abgeschlagen. 
Selbst die englischen Schiffsärzte haben sich 
der erkrankten Gefangenen in durchaus un- 
genügender Weise angenommen. Die Behandlung 
der hochschwangeren Frau Weber, die in ihrem 
Zustand unter den vielen Unzuträglichkeiten der 
Beförderung auf der „Obuasil“ besonders zu leiden 
hatte, wurde anfang ohne weiteres abgelehnt. Der 
Schiffsarzt der „Obuasi“ mutete der Frau eines 
Oberbeamten bei einem schweren Malariaanfall 
zu, wasserglasweise Kognak zu trinken; dagegen 
sorgte er für entsprechende Ernährung trotz aller 
Vorstellungen nicht. Der gleiche Arzt hat die 
Bitte einer anderen Frau um Milch für ihr 
wenige Wochen altes Kind nicht erfüllt. 
IX. 
Zu schweren Klagen gab das Verhalten der 
englischen Transportleiter und des Aufsichts- 
personals Anlaß. 
Bei der Einschiffung auf die „Appam“ wurde 
von dem Boot, das die Gefangenen zum Dampfer 
brachte, keine Brücke ans Schiff hinübergelegt, so 
daß sie gezwungen waren, entweder zu springen 
oder sich von den Negern herüberheben zu lassen 
— eine besondere Härte gegenüber den weiblichen 
Gefangenen. Während der Fahrt der „Appam“ 
in den Tropen wurde das Deck während der 
ersten Stunden des Vormittags abgeschlossen, so 
daß die Gefangenen sich in den heißen Gängen 
im unteren Schiffsraum aufhalten mußten. Als 
aber das Schiff in die kalten Gewässer kam, 
wurden die Gefangenen schon früh auf das Deck 
gebracht. Auf der „Obuasi“ war die Behandlung 
der Männer eine durchaus unwürdige. Ein 
politischer Beamter, der in Sierra Leone die 
„Obuasi“ verließ, beschimpfte die Gefangenen 
ohne Ursache. 
Der gleiche Beamte nahm bei der Revision 
der Gepäckstücke aus dem Gepäck des Regierungs- 
baumeisters Koch eine goldene Uhr nebst Kette 
und steckte sie zu sich. A## Beschwerde gab er 
Uhr und Kette dem Bankdirektor Lohff mit den 
Worten zurück: „Vou can have it back, it is
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.