Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

Mit Beginn der Anfang 1917 einsetzenden 
großen Regenzeit waren die Angriffsbewegungen 
der verbündeten feindlichen Streitkräfte im allge- 
meinen zum Stillstand gekommen. Die Truppen 
der Südafrikanischen Union mußten gegen Ende 
1916 größtenteils nach Südafrika zurücktranspor- 
tiert werden, da sie den an sie zu stellenden 
Anforderungen nicht mehr gewachsen waren. Die 
kongo-belgischen Truppen, die nach der Inbesitz- 
nahme Toboras nur wenig über diesen Ort 
hinaus vorgedrungen waren, befanden sich zum 
größten Teil bereits auf dem Abtransport nach 
dem Kongo, um, wie es hieß, auf dem euro- 
päischen Kriegsschauplatz Verwendung zu finden, 
nachdem England Belgien gezwungen hatte, 
Tabora ihm zu überlassen. Im Süden waren 
die Portugiesen bereits im November und De- 
zember 1916 gänzlich aus dem Lande geworfen 
worden und hatten sich anscheinend von ihrer 
Niederlage noch nicht wieder erholt. 
Als Ersatz für die südafrikanischen Truppen 
hatten die Engländer farbige westafrikanische 
Bataillone aus Nigerien, von der Goldküste sowie 
vermutlich auch neue indische Verbände heran- 
gezogen und betrieben mit Hochdruck die Auf- 
stelung weiterer farbiger Truppenteile. 
Für die kampferprobte deutsch ostafrikanische 
Schutztruppe bildete die Regenzeit kein Hindernis; 
kotz der Ungunst der Witterung und trotz des an 
Jahl und Hilfsmitteln noch immer weit über- 
legenen Gegners ging sie ihrerseits zum Angriff 
über. Dieser erfolgte in der Hauptsache und mit 
härkeren Kräften nach drei Richtungen: nach 
Besten und Nordwesten gegen den Nyassasee und 
in Richtung Tabora, nach Süden über den 
Rowuma und nach Osten in der Richtung auf 
die Küste. Kleinere Abteilungen stießen auch nach 
Torden auf Kilossa und auf Iringa vor. Von 
dem Vorstoß im Westen erfuhren wir durch eine 
euglische Meldung im April dieses Jahres, in der 
gesagt war, daß deutsche Kolonnen, die aus süd- 
üiher Richtung von Mahenge und dem Ruhndje 
dorgingen, mit den rhodesischen und Nyassaland— 
Wuppen nördlich und nordöstlich des Nyassasees 
ln Gefechtsfühlung gekommen seien. Bald stellte 
ih aber heraus, daß diese Gefechtsfühlung nicht 
zur zu einer Wiedergewinnung des Gebiets öst- 
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*— 
lich des Nyassasees, sondern auch zu einem regel- 
rechten Durchbruch durch die englischen Linien 
nach Nordwesten geführt hatte. Eine deutsche Ab- 
teilung, angeblich in der Stärke von 400 Mann 
mit mehreren Maschinengewehren, unter Führung 
des aus den Kämpfen an der Nordwestgrenze 
und später um Tabora rühmlichst bekannten Haupt- 
manns Wintgens hatte sich in der Richtung 
über Utengule den Durchmarsch erkämpft und 
strebte in Eilmärschen auf Tabora. Gegen den 
20. Mai befand sie sich etwa 70 km südlich dieses 
Ortes, nachdem sie die verfolgenden englischen 
Abteilungen in mehreren Gefechten von sich ab- 
geschüttelt hatte. Den Engländern bangte um 
Tabora, und sie befahlen die Belgier, die kurz 
vorher den Ort vor ihren lieben Bundesgenossen 
hatten räumen müssen, zu dessen Rettung wieder 
herbei. 
Ende Mai kam dann die leider sehr betrübende 
Meldung aus Ostafrika, daß Hauptmann Wint- 
gens von einer mit britischen Truppen zu- 
sammenwirkenden belgischen Kolonne am 22. Mai 
angeblich bei Lukalanga südlich Tabora ge- 
fangengenommen worden sei. Diese Nachricht 
wurde dann belgischerseits noch dahin ergänzt, 
daß seine Abteilung vollständig geschlagen und 
seine Gefangennahme nach heftigem Widerstande 
erfolgt sei. Der Jubel über den errungenen Sieg 
und die Unschädlichmachung eines so gesürchteten 
Geguers wie Wintgens war natürlich groß. 
Die Gefangennahme ist leider Tatsache, aber wie 
sie erfolgte und wie es mit dem angeblich er- 
fochtenen Siege aussah, darüber haben wir jetzt 
von Wintgens selbst aus einem an seine Mutter 
gerichteten Briefe das Nähere erfahren. Danach 
war er schwer erkrankt, und da der Arzt seines 
Stabes für sein Leben fürchtete und unter Um- 
ständen eine Operation für geboten hielt, ein 
deutsches Lazarett aber weit und breit nicht zu 
erreichen war, entschloß Wintgens sich schweren 
Herzens, seine in Eilmärschen marschierende Truppe 
zu verlassen, sein Schicksal in die Hände seiner 
Feinde zu legen, und ließ sich in ein eng- 
lisches Lazarett bringen. Seine Abteilung 
aber hat sich scheinbar dem Zusammenstoß mit 
dem Gegner zu entziehen gewußt. Sie überschritt 
bei Malongwe südöstlich Tabora die Bahn,
	        
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