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Ackerbau-, Handwerker= und Industrieschulen, in
denen jeder lernbegierige Eingeborene praktische
Unterweisung in den verschiedenen Lehrfächern
erhält. Mit dieser methodischen Erziehung zu
geordneter Arbeit wird ein doppelter Zweck er-
reicht. Einmal wird die gesamte Lebenshaltung
der Eingeborenen eine bessere, denn sie lernen
die reichen, ihnen zur Verfügung stehenden Natur-
schätze vorteilhafter auszunutzen. Dann aber werden
sie durch die allmähliche Gewöhnung an erhöhte
Bedürfnisse von selbst dazu gebracht, durch ihrer
eigenen Hände Arbeit die notwendigen Mittel
zur Bestreitung der gesteigerten Bedürfnisse zu
verdienen. Auf diese Weise wiederum erhält der
weiße Pflanzer die nötigen einheimischen Arbeits-
kräfte und durch die gesteigerte Kauflust und
Kaufkraft der Händler den für seine Waren ge-
wünschten Absatz.
Die Mission begnügt sich aber nicht damit,
die Eingeborenen rein mechanisch zu tüchtigen
Ackerbauern, Pflanzungsarbeitern oder Hand-
werkern herauszubilden, sie ist vielmehr dar-
auf bedacht, neben der Handfertigkeit das sitt-
liche und geistige Niveau der Eingeborenen zu
heben. Zu diesem Zwecke haben die protestan-
tischen wie die katholischen Missionen allenthalben
Schulen eingerichtet, und zwar in der Hauptsache
Elementarschulen mit dem Bildungsgange un-
gefähr unserer Volksschulen. Den Fortgeschrittenen
stehen auch gehobenere Schulen zur Verfügung.
In den Missionsgebieten, in denen das Bekehrungs-
werk bereits weiter gediehen ist, wie z. B. in
Samoa, dessen Einwohner, wie ich bereits er-
wähnt habe, seit Jahrzehnten Christen sind, sind
eigene Lehrer= und Predigerseminare eingerichtet.
Durch diese Schulen gewinnen die Missionen die
heranwachsende Jugend für sich und bilden in
ihnen eingeborene Helfer und Lehrer aus, die
ihnen im Verkehre mit den Stammesgenossen
nützliche Dienste leisten. Welch bedeutenden
Raum in dem Wirken der Missionen das Schul-
wesen einnimmt, wollen Sie daraus ersehen, daß
bei Kriegsausbruch 2681 protestantische Missions=
schulen mit 113 942 Schülern und 1940 katho-
lische mit 111 867 Schülern in unseren Kolonien
bestanden. Bei diesen Zahlen bedarf es keines
besonderen Hinweises, daß die Missionen auch
auf dem Gebiete des Schulwesens den staatlichen
Organen eine große Arbeits= und Kostenlast ab-
nehmen.
Das gleiche gilt auf dem Gebiete der Wohl-
fahrtspflege. Es gibt kaum eine katholische oder
protestantische Missionsstation, auf der nicht Kranken-
pflege geübt wird. Missionare und Missionsschwestern
wetteifern untereinander in dem selbstlosen und
aufopferungsvollen Liebeswerke. Wesentlich auch
in der Bekämpfung der Seuchen, ich erinnere nur
an die Schlafkrankheit und den Aussatz, haben die
Missionen die staatliche Gesundheitspflege in der
wirksamsten Weise unterstützt. Zahlreiche Kranken-
häuser und Apotheken, Waisenhäuser, sodann auch
Gesundheits= und Erholungsstationen, wie z. B.
in Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Neuguinea, die
auch den Europäern zugute kommen, legen Zeugnis
ab von dem umffassenden Werke der Missionen
auf dem Gebiete der Kranken= und Wohlfahrts-
pflege. In den letzten Jahren vor Kriegsausbruch
sind die Missionen immer mehr dazu übergegangen,
selbst geschultes ärztliches und berufsmäßig aus-
gebildetes Krankenpflegerpersonal in unsere
Kolonien hinauszuschicken.
Ein weiteres wichtiges Feld der Tätigkeit,
das ich berühren muß, wenn ich mir nicht den
Vorwurf der Unvollständigkeit und in meiner
Eigenschaft als Leiter der Kolonialverwaltung
auch den der Undankbarkeit zuziehen will, ist die
umfangreiche wissenschaftliche und literarische
Arbeit, die von den Missionaren beider Konfessionen
geleistet wird. Namentlich auf dem Gebiete der
Erforschung der Eingeborenensprachen haben sich
die Missionare durch die lbersetzung der Bibel
und durch Herausgabe von Grammatiken, Wörter-
büchern, Gebets= und Gesangbüchern sowie anderer
mit dem Missionswesen im Zusammenhang
stehender wissenschaftlicher und pädagogischer Werke
ein bleibendes Denkmal gesetzt. Auch mit dieser
Arbeit haben sie der Kolonialregierung als Pfad-
finder und Wegebereiter dienen können. Aber
auch auf anderen' Gebieten der reinen und an-
gewandten Wissenschaft, wie Geographie, Geologie,
Ethnographie, Literaturgeschichte, ferner Botanik
und Zoologie liefern die Missionare der fach-
wissenschaftlichen Forschung dauernd wertvolle
Beiträge. Die Kolonialverwaltung erkennt auch