Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIX. Jahrgang, 1918. (29)

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schaffte. Wir vernehmen auch, daß der Haupt- 
anteil an dieser Trägergestellung auf die Bevölke- 
rung am Victoriasee entfiel, da diese die für die 
klimatischen Verhältnisse Deutsch-Ostafrikas wider- 
standsfähigste sei. Es ist uns zur Zeit leider nicht 
möglich, festzustellen, inwieweit auch die Bevölke- 
rung der am Victoriasee liegenden deutschen Ge- 
biete hiervon betroffen worden ist. Da aber die 
zu Trägerdiensten geeignetsten Stämme gerade auf 
deutschem Gebiet ansässig sind, ist die Vermutung 
nicht von der Hand zu weisen, und darauf deuten 
auch uns vereinzelt zugegangene Mitteilungen, 
daß die Engländer die Bevölkerung der von ihnen 
besetzten deutschen Gebiete in völkerrechtswidriger 
Weise zu Kriegszwecken verwenden. 
Ebenso liegen Anzeichen und vereinzelt hierher 
gelangte Mitteilungen dafür vor, daß die Eng- 
länder auch zur Beschaffung des Ersatzes für die 
neuaufgestellten Bataillone der Kings African Rifles 
Zwangsaushebungen unter der Bevölkerung der 
von ihnen besetzten deutschen Gebiete vorgenommen, 
ja sogar kriegsgefangene deutsche Askari zwangs- 
weise in ihre Dienste gepreßt haben. Es kommt 
England auf ein paar Völkerrechtsverletzungen 
mehr oder weniger zur Erreichung seiner Zwecke 
nicht an; insbesondere, wo es sich der Sicherheit 
hingibt, daß bei der Abgeschlossenheit des Kriegs- 
schauplatzes von der Außenwelt seine Rechtsver- 
letzungen nicht bekannt würden. 
Kehren wir zu den kriegerischen Ereignissen 
zurück. 
Aus dem oben wiedergegebenen Abschnitt über 
die Operationen auf dem westlichen Kriegsschau- 
platz zwischen dem oberen Ruhndje und der Gegend 
von Ssongea war zu ersehen, daß die Engländer, 
abgesehen von der ihnen anfangs geglückten Ge- 
fangennahme der kleinen Abteilung des Majors 
v. Grawert, im übrigen nur Mißerfolge zu ver- 
zeichnen hatten. Hauptmann Wintgens gelangte, 
wahrscheinlich bereits in Ausführung seines Durch- 
bruches nach Norden (Mitte Februar 1917), bis 
dicht an den Niassasee, und Major Kraut konnte 
mit seinen „in unzufriedener Verfassung befind- 
lichen sechs Kompagnien“ seinen von Hoskins als 
„Rückzug auf die portugiesische Grenze“ bezeich- 
neten Zug ins portugiesische Gebiet beginnen, der 
ihn bis über die Grenzen von Britisch-Njassa- 
land führte. 
Im Küstengebiet vollzog sich der Rückzug der 
deutschen Hauptabteilung auf die Matandu-Linie, 
und General Hoskins sah sich genötigt, eine Um- 
gruppierung seiner Truppen in der Gegend von 
Kilwa vorzunehmen und die Besatzung von Lindi 
infolge der Ansammlung der bisher im Hinterland 
stehenden deutschen Truppen in der Nähe dieses 
Ortes bedeutend zu verstärken. 
  
Über die dann in die Hauptregenzeit fallenden 
Operationen berichtet Hoskins, wie folgt: 
„Aus dem Vorhergehenden geht hervor, 
daß die Periode der Regenzeit hauptsächlich 
der Reorganisation galt. Immerhin wurden, 
wenn die örtlichen Verhältnisse es uns einiger- 
maßen zuließen, Anstrengungen gemacht, den 
Feind zu schwächen. 
Bei Lindi führte Brigadegeneral O'Grady 
verschiedene örtlich begrenzte Angriffsbewegungen 
aus. Seine Aufklärungsabteilungen arbeiteten 
gut und erlangten bald die ÜUberlegenheit. Die 
Hügel südlich des Hafens wurden gesichert, und 
ein gut durchgeführter überraschender Angriff 
auf einen deutschen Posten westlich von Nguru- 
Mahamba am 11. März endete mit der Zer- 
sprengung der Besatzung und der Erbeutung 
einer Revolverkanone (Pompon). Der Feind 
hatte ein 4,1 Zoll-Geschütz (10,5 cm) in der 
Nähe von Mrweka in Stellung gebracht, mit 
dem er zeitweise unsere Feldwachen auf dem 
Kitulo-Hügel mit verhältnismäßig geringem 
Erfolge unter Feuer nahm. Am 23. April“ 
überraschten unsere Truppen ein feindliches 
Lager bei Jangwani. Die Deutschen zogen 
sich in Unordnung zurück und ließen viele 
Vorräte liegen. Am 24. wurde unser schwacher 
Posten in Ssudibucht von einigen Kompagnien 
angegriffen, die unter Zurücklassung von einem 
Dutzend Toten zurückgeschlagen wurden. Am 
25. kam es zu einem lebhaften Gefecht zwischen 
Kings African Rifles und einem gleichstarken 
Feinde. Der Erfolg war ein befriedigender 
und nur wegen des Mangels an weißem Per- 
sonal wurde es kein entscheidender. Gegen 
Ende April wurden mehrere neue Kompagnien 
im Lindi--Bezirk gemeldet und eine beträchtliche 
Anzahl, einschließlich der Krautschen Abteilung, 
stand in oder um Tunduru. Die letztere war 
gegen Ende März wieder über die portugiesische 
Grenze zurückgegangen. Bis zum 19. Mai kam 
nichts weiter von Bedeutung in dieser Gegend 
vor. An diesem Tage brachte ein in beträcht- 
licher Stärke ausgeführter Erkundungsvorstoß 
gegen Mrweka den Feind bis dicht westlich 
Ngurn-Mahamba. Der Kampf hielt tagelang 
an und offenbarte die Tatsache, daß der Feind 
seine Streitkräfte in dieser Gegend nicht ver- 
mindert hatte. Um diese Zeit war der Hafen 
von Lindi als offen erklärt und zum Ausgangs- 
punkt für künftige Operationen eingerichtet 
worden. Eine zuverlässige Nachricht besagte, 
daß die Deutschen im Begriff seien, umfang- 
reiche Verpflegungsdepots in der Umgebung 
von Massassi zu errichten. Dieser Umstand in 
Verbindung mit der Tatsache, daß sie die
	        
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