Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIX. Jahrgang, 1918. (29)

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händigte er Kimmel noch einen Brief an Leut- 
nant Sereno ein, und Kimmel ritt ab. Ahnungs- 
los kommt er in Naulila an, anfangs wollte 
man auf ihn schießen, aber Jensen beruhigte 
die Portugiesen durch Zurufe: „Schießt doch 
nicht, der Mann tut euch doch nichts.“ Darauf 
wurde Kimmel umstellt und gefangen- 
genommen. Als man ihn ins Fort führte, 
lagen Dr. Schultze-Jena und Leutnant Roeder 
noch immer im Forthofe in der heißen Sonne. 
Er brachte zunächst Leutnant Roeder in eine 
schattige Hütte, untersuchte seine Wunde, wusch 
sie aus und verband sie mit Hilfe seines 
eigenen kleinen Verbandpäckchens. Roeders 
Verwundung war nicht so gefährlich, 
als daß man ihn nicht hätte retten 
können, wenn ein Arzt dagewesen wäre. 
Der Ein= und Ausschuß des 7-mm3Geschosses 
war ganz klein, doch sickerte beständig Blut 
heraus. Verbandstoffe waren nicht zu haben, 
Leutnant Roeder verlangte nach einem Linde- 
rungs= oder Betäubungsmittel. Man wollte 
Verbandzeng von unserer Karre herbeischaffen 
und Sereno gab zu, daß Kimmel einen Brief 
an den Chef von Humbe nach Eriksonsdrift 
schrieb. Der Brief wurde durch einen Ein- 
geborenen befördert und lautete: „An den Chef 
von Humbe. Kommen Sie sofort nach hier 
und bringen Sie Verbandzeug mit. Ich bin 
gefangen und ersuche Sie, meine Freilassung 
anzuordnen.“ In diesen Brief steckte er einen 
zweiten an den Polizeiwachtmeister Schaaps 
folgenden Inhalts: „Befehl des Leutnants 
Sereno, Ihr sollt alle kommen, Dr. Schultze- 
Jena und Oberleutnant Lösch meuchlings er- 
schossen, Lentnant Roeder schwer verwundet.“ 
Als Dr. Vageler dies erfuhr, sagte er zum 
Chef von Humbe, daß er jetzt nach Südwest 
gehe. Obwohl es in seiner Macht liege, ihn 
als Gefangenen mitzunehmen, verzichte er 
darauf, weil er (der Chef von Humbe) im 
guten Glauben, einer friedlichen Angelegenheit 
zu dienen, dem Wunsche Dr. Schultze-Jenas 
gefolgt sei. Aber er mache den Chef von 
Humbe für Kimmels Leben persönlich ver- 
antwortlich. „Bald werden Sie mich wieder- 
sehen, aber mit deutschen Truppen.“ Dr. Vage- 
ler nahm den Rest der Patronille unter sein 
Kommando und zog sich in Eilmärschen auf 
Outjo zurück, das Gonvernement telegraphisch 
von dem Vorfall in Kenntnis setzend.“ 
Aus weiteren Nachrichten geht hervor, daß 
der schwer verwundete Leutnant Roeder und 
die Leichen der beiden anderen Deutschen von 
der zügellosen Soldateska auch noch beraubt 
wurden. Geld und Wertsachen wurden gestohlen. 
  
Die Stiefel und Gamaschen der Ermordeten zogen 
sich die zerlumpten portugiesischen Soldaten an. 
Von den Leichen rissen sie die Woilachs hinweg. 
In der Nacht wurde Leutnant Roeder von 
seinen Schmerzen erlöst. An dem Begräbnis 
haben Jensen und Kimmel nicht teilnehmen 
dürfen. 
Die hier anschaulich und wahrheitsgetreu ge- 
schilderten Vorgänge werden in dem Bericht des 
portugiesischen Obersten Alvas Rocadas, der 
im „Secolo" vom 18. Dezember 1917 veröffent- 
licht wurde, heuchlerisch verdreht und umschrieben 
durch den Satz: 
„Am 18. Oktober 1914 fiel der Verwalter 
von Outjo, einem Grenzdistrikt Damaralands, mit 
bewaffneten Offizieren und Soldaten in das Ge- 
biet von Hinga ein und verursachte einen Zwischen- 
fall mit dem Kav. Fähnrich Sereno, der von 
dem Kommandanten von Cuamata beauftragt war, 
die Gründe des Aufenthalts deutscher Truppen 
auf unserem Gebiet zu prüfen.“ 
Der Gedanke an einen Einfall in portugiesisches 
Gebiet ist nur die Ausgeburt einer wilden süd- 
ländischen Phantasie. Ein klarer Kopf mußte sich 
sagen, daß erstens die Regierung des deutschen 
Schutzgebietes durchaus keine Veranlassung hatte, 
sich in ihrer schwierigen Lage einen neuen Gegner 
unnötig aufzuhalsen, und daß man zweitens nicht 
zu Eroberungszwecken mit einer winzigen Pa- 
trouille in ein fremdes Land einfällt. 
Bezirksamtmann Dr. Schultze-Jena lagerte 
seiner Karte nach auf deutschem Gebiet und hat 
das dem portugiesischen Offizier mitgeteilt und 
auf der Karte gezeigt. 
Die gegenteilige Behauptung des portugiesischen 
Offiziers ist nicht stichhaltig, um so weniger, als 
er wohl kaum in der Lage war, sie durch Vor- 
legung einer genaueren portugiesischen Karte zu 
beweisen. Die Portugiesen mußten ebensogut 
wie wir wissen, daß eine genaue Grenzvermessung 
in jener Gegend überhaupt noch nicht stattgefunden 
hat, und daß daher Meinungsverschiedenheiten 
über den Verlauf der Grenze sehr wohl möglich 
sein konnten. Dr. Schultze-Jena hatte außer- 
dem durch die Absendung des Briefes nach dem 
Fort Donguena seine friedliche Absicht offenkundig 
gezeigt. Daß die von ihm nach Dongnena ent- 
sandten Herren bewaffnet waren, ist in jener von 
nur halbunterworfenen Stämmen bewohnten 
Gegend selbstverständlich. An anderer Stelle seines 
Berichtes gibt dann auch Rocadas zu, folgendes 
Telegramm vom Bezirkschef von Humbe erhalten 
zu haben: 
„Abgesandte der Deutschen unter dem Gon- 
verneur von Damara lagern am Kunene nahe 
bei dem Posten Dongnena, um mit den Portu-
	        
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