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händigte er Kimmel noch einen Brief an Leut-
nant Sereno ein, und Kimmel ritt ab. Ahnungs-
los kommt er in Naulila an, anfangs wollte
man auf ihn schießen, aber Jensen beruhigte
die Portugiesen durch Zurufe: „Schießt doch
nicht, der Mann tut euch doch nichts.“ Darauf
wurde Kimmel umstellt und gefangen-
genommen. Als man ihn ins Fort führte,
lagen Dr. Schultze-Jena und Leutnant Roeder
noch immer im Forthofe in der heißen Sonne.
Er brachte zunächst Leutnant Roeder in eine
schattige Hütte, untersuchte seine Wunde, wusch
sie aus und verband sie mit Hilfe seines
eigenen kleinen Verbandpäckchens. Roeders
Verwundung war nicht so gefährlich,
als daß man ihn nicht hätte retten
können, wenn ein Arzt dagewesen wäre.
Der Ein= und Ausschuß des 7-mm3Geschosses
war ganz klein, doch sickerte beständig Blut
heraus. Verbandstoffe waren nicht zu haben,
Leutnant Roeder verlangte nach einem Linde-
rungs= oder Betäubungsmittel. Man wollte
Verbandzeng von unserer Karre herbeischaffen
und Sereno gab zu, daß Kimmel einen Brief
an den Chef von Humbe nach Eriksonsdrift
schrieb. Der Brief wurde durch einen Ein-
geborenen befördert und lautete: „An den Chef
von Humbe. Kommen Sie sofort nach hier
und bringen Sie Verbandzeug mit. Ich bin
gefangen und ersuche Sie, meine Freilassung
anzuordnen.“ In diesen Brief steckte er einen
zweiten an den Polizeiwachtmeister Schaaps
folgenden Inhalts: „Befehl des Leutnants
Sereno, Ihr sollt alle kommen, Dr. Schultze-
Jena und Oberleutnant Lösch meuchlings er-
schossen, Lentnant Roeder schwer verwundet.“
Als Dr. Vageler dies erfuhr, sagte er zum
Chef von Humbe, daß er jetzt nach Südwest
gehe. Obwohl es in seiner Macht liege, ihn
als Gefangenen mitzunehmen, verzichte er
darauf, weil er (der Chef von Humbe) im
guten Glauben, einer friedlichen Angelegenheit
zu dienen, dem Wunsche Dr. Schultze-Jenas
gefolgt sei. Aber er mache den Chef von
Humbe für Kimmels Leben persönlich ver-
antwortlich. „Bald werden Sie mich wieder-
sehen, aber mit deutschen Truppen.“ Dr. Vage-
ler nahm den Rest der Patronille unter sein
Kommando und zog sich in Eilmärschen auf
Outjo zurück, das Gonvernement telegraphisch
von dem Vorfall in Kenntnis setzend.“
Aus weiteren Nachrichten geht hervor, daß
der schwer verwundete Leutnant Roeder und
die Leichen der beiden anderen Deutschen von
der zügellosen Soldateska auch noch beraubt
wurden. Geld und Wertsachen wurden gestohlen.
Die Stiefel und Gamaschen der Ermordeten zogen
sich die zerlumpten portugiesischen Soldaten an.
Von den Leichen rissen sie die Woilachs hinweg.
In der Nacht wurde Leutnant Roeder von
seinen Schmerzen erlöst. An dem Begräbnis
haben Jensen und Kimmel nicht teilnehmen
dürfen.
Die hier anschaulich und wahrheitsgetreu ge-
schilderten Vorgänge werden in dem Bericht des
portugiesischen Obersten Alvas Rocadas, der
im „Secolo" vom 18. Dezember 1917 veröffent-
licht wurde, heuchlerisch verdreht und umschrieben
durch den Satz:
„Am 18. Oktober 1914 fiel der Verwalter
von Outjo, einem Grenzdistrikt Damaralands, mit
bewaffneten Offizieren und Soldaten in das Ge-
biet von Hinga ein und verursachte einen Zwischen-
fall mit dem Kav. Fähnrich Sereno, der von
dem Kommandanten von Cuamata beauftragt war,
die Gründe des Aufenthalts deutscher Truppen
auf unserem Gebiet zu prüfen.“
Der Gedanke an einen Einfall in portugiesisches
Gebiet ist nur die Ausgeburt einer wilden süd-
ländischen Phantasie. Ein klarer Kopf mußte sich
sagen, daß erstens die Regierung des deutschen
Schutzgebietes durchaus keine Veranlassung hatte,
sich in ihrer schwierigen Lage einen neuen Gegner
unnötig aufzuhalsen, und daß man zweitens nicht
zu Eroberungszwecken mit einer winzigen Pa-
trouille in ein fremdes Land einfällt.
Bezirksamtmann Dr. Schultze-Jena lagerte
seiner Karte nach auf deutschem Gebiet und hat
das dem portugiesischen Offizier mitgeteilt und
auf der Karte gezeigt.
Die gegenteilige Behauptung des portugiesischen
Offiziers ist nicht stichhaltig, um so weniger, als
er wohl kaum in der Lage war, sie durch Vor-
legung einer genaueren portugiesischen Karte zu
beweisen. Die Portugiesen mußten ebensogut
wie wir wissen, daß eine genaue Grenzvermessung
in jener Gegend überhaupt noch nicht stattgefunden
hat, und daß daher Meinungsverschiedenheiten
über den Verlauf der Grenze sehr wohl möglich
sein konnten. Dr. Schultze-Jena hatte außer-
dem durch die Absendung des Briefes nach dem
Fort Donguena seine friedliche Absicht offenkundig
gezeigt. Daß die von ihm nach Dongnena ent-
sandten Herren bewaffnet waren, ist in jener von
nur halbunterworfenen Stämmen bewohnten
Gegend selbstverständlich. An anderer Stelle seines
Berichtes gibt dann auch Rocadas zu, folgendes
Telegramm vom Bezirkschef von Humbe erhalten
zu haben:
„Abgesandte der Deutschen unter dem Gon-
verneur von Damara lagern am Kunene nahe
bei dem Posten Dongnena, um mit den Portu-