8 34. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht. 333
Hierher gehören folgende Sätze:
1. »Die Wahlberechtigten haben das Recht, zum Betrieb der den
Reichstag betreffenden Wahlangelegenheiten Vereine zu bilden und
in geschlossenen Räumen unbewaffnet öffentliche Versammlun-
gen zu veranstalten« ',, Die Vorschriften, welche das Reichsvereins-
gesetz vom 19. April 1908 (RGBl. S. 151), $3 für politische Vereine auf-
stellt, finden nach 8 4 keine Anwendung auf Wahlvereine vom Tage
der amtlichen Bekanntmachung des Wahltags bis zur Beendigung der
Wahlhandlung. Im Sinne dieser Bestimmung sind Wahlvereine Per-
sonenmehrheiten, die vorübergehend zusammentreten, um im
Auftrage von Wahlberechtigten Vorbereitungen für bestimmte
Wahlen zu treffen. Vereine, welche dauernd eine Einwirkung auf die
Wahlberechtigten im Interesse einer Partei bezwecken, unterliegen den
für politische Vereine geltenden Regeln. Während der gleichen Frist
bedarf es einer Anzeige bei der Polizeibehörde nicht für Versamm-
lungen der Wahlberechtigten zum Betriebe der Wahlen (86 Abs. 2)2).
Das Reichsgesetz spricht nur von Wahlberechtigten, so daß also z.B.
Personen, welche das 25. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, und
Personen weiblichen Geschlechts, sowie Nichtreichsangehörige, wenn
dieselben an Wahlvereinen und Wahlversammlungen teilnehmen, den
gewöhnlichen Vorschriften über Vereine und öffentliche Versammlun-
gen unterliegen.
In Geltung geblieben ist das RG. vom 11. Dezember 1899 (RGBl.
Ss. 699); dasselbe hat die landesgesetzlichen Bestimmungen, durch
welche Vereinen verboten wurde, miteinander in Verbindung zu treten,
für inländische Vereine jeder Art aufgehoben.
Wahlvereine können gemäß 8 21 des Bürgerlichen Gesetzbuches
durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts
privatrechtliche Rechtsfähigkeit erlangen, wofern sie den
in 8 55 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches aufgestellten Vorschriften ent-
sprechen. Die Verwaltungsbehörde kann aber gemäß 8 61 Abs. 2 gegen
die Eintragung aus dem Grunde Einspruch erheben, weil der Verein
einen politischen oder sozialpolitischen Zweck verfolgt; denn das
Vereinsgesetz bezieht sich nur auf das öffentliche Vereinsrecht,
nicht auf das bürgerliche, ist daher dem Bürgerlichen Gesetzbuche
gegenüber keine ihm vorgehende lex specialis.
Recht S. 36 und Tezner in Grünhuts Zeitschrift Bd. 21, S. 155fg. meinen —, daß
über die Frage, ob jemand zur Teilnahme an einer Wahl befugt sei, in manchen Staa-
ten ein kontradiktorisches Verfahren zugelassen ist. Vgl. auch Jellinek S. 162 ff.
1) Wahlgesetz 8 17, Abs. 1.
2) Die Vorschriften der $$ 10, 11 u. 13 des Vereinsgesetzes finden auch auf Wäh-
lerversammlungen Anwendung; die Vorschrift in $ 12, daß die Verhandlungen in
deutscher Sprache zu führen sind, dagegen nicht. & 17, Abs. 2 des Wahlgesetzes, $ 2,
Abs. 2 des Einf.Ges. zum Strafgesetzb., soweit er sich auf die landesgesetzlichen Be-
stimmungen über „Mißbrauch des Vereins- und Versammlungsrechts“ bezieht und 86
Abs. 2, Ziff.2 des Einf.Ges. zur Strafprozeßordnung sind aufgehoben. Vereinsges. 8 23.