Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

472 8 48. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. 
ihres Amtes befinden, gesetzte Strafe den Widerstand gegen Miß- 
brauch der Amtsgewalt erschwert und gefährlich macht. Der hier- 
durch gegebene Anreiz zur Verübung der Tat soll durch die Ver- 
schärfung der Strafandrohung wieder ausgeglichen werden. Die hierher 
gehörenden Fälle sind Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Haus- 
friedensbruch. 8 340, 341, 342 verglichen mit 8 223 fg., 8 239 und 8 123. 
c) Endlich wird für gewisse Handlungen, falls sie von Beamten 
verübt werden, der Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher 
Aemter oder gewisser Aemter als Nebenstrafe angedroht, nämlich für 
die Teilnahme an verbotenen Verbindungen 8 128, Abs. 2, 5 129, Abs. 2, 
ferner gegen Eisenbahn- und Telegraphenbeamte, welche durch Ver- 
nachlässigung der ihnen obliegenden Pflichten den Transport auf einer 
Eisenbahn in Gefahr setzen oder die Benutzung der Telegraphenan- 
stalt verhindern oder stören, $ 316, Abs. 2, 8 318, Abs. 2, $S 319; end- 
lich in den im 8 358 aufgeführten Fällen, soweit dieselben zu den un- 
eigentlichen Amtsdelikten gehören. 
2. Dieeigentlichen Amtsdelikte. 
Die hierher gehörenden Verbrechen und Vergehen haben nicht 
nur durch ihren subjektiven, sondern auch durch ihren objektiven 
Tatbestand eine staatsrechtliche Bedeutung. Es sind Prinzipien des 
Staatsrechts oder der Politik, welche in ihnen enthalten sind und 
welche eine rechtliche Anerkennung und rechtlichen Schutz dadurch 
empfangen, daß Handlungen, die mit ihnen im Widerspruch stehen, 
mit Strafe bedroht sind. Man kann aus den einzelnen Vorschriften 
des Strafgesetzes durch Abstraktion diese Grundsätze gewinnen, welche 
logisch im Vergleich zu den strafrechtlichen Bestimmungen das prius 
sind, da die letzteren nur zu ihrem Schutze gegeben sind. Im An- 
schluß an die von Binding gewählte Ausdrucksweise kann man 
sagen, die Normen, welche den Strafbestimmungen über die eigent- 
lichen Amtsdelikte zu Grunde liegen, sind staatsrechtlichen Inhaltes. 
Eine Aufsuchung und Formulierung dieser Normen ist aber recht- 
lich nicht von erheblichem Wert. Denn solche Normen sind in ihrer 
Allgemeinheit keine Rechtssätze, weder staatsrechtliche noch 
strafrechtliche!. Nur insoweit, als einzelne bestimmte Arten ihrer 
1) Insbesondere sind sie auch keine „Rechtssätze des ungesetzten Rechts“ oder 
„durch konkludente Handlungen erklärte Rechtssätze* — wie Binding, Die Nor- 
men 1, S. 66fg. annimmt. Gegen diese Einwendungen verteidigt Binding seine 
Theorie in seinem Handbuch des Strafrechts Bd. 1, S. 156 ff., indem er namentlich 
betont, daß „das Zwangsmoment für den einzelnen Rechtssatz ganz unwesentlich ist“. 
Daß eineStrafandrohung nicht wesentlich für das Rechtsgebot ist, sondern daß 
auch die lex imperfecta eine wirkliche Rechts vorschrift enthält, ist freilich unzwei- 
felhaft richtig. Die Grundsätze der Reichsverfassung über die Pflichten des Kaisers 
sind ebenso wie die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Pflichten der Kauf- 
leute Rechtsnormen, die allgemeineren politischen, ethischen oder wirtschaftlichen 
Prinzipien aber, auf denen sie beruhen, sind keineRechtssätze, mag man sie auch 
in der Form von Imperativen ausdrücken können. Das Gebot: Du sollst nicht stehlen
	        
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