524 S 52. Die Beendigung des Dienstverhältnisses.
1. Auf Antrag des Beamten, welcher seine Entlassung
fordert. Dieselbe kann demselben nicht verweigert werden. Obwohl
das Reichsgesetz diesen Grundsatz nicht ausdrücklich ausspricht, so
beruht er nicht nur auf einer allgemeinen Rechtsüberzeugung '), einem
wirklichen gemeinen Gewohnheitsrecht, sondern er ergibt sich aus der
Natur des Beamtenverhältnisses ?).. Dasselbe erfordert von dem Be-
amten nicht bestimmt begrenzte Leistungen, sondern die Hingabe
seiner ganzen Persönlichkeit an den Staat zur Förderung des Staats-
wohls, Treue, Opferwilligkeit, Berufsfreudigkeit; es kann daher niemand
gezwungen in einem solchen Dienst gehalten werden. Aber das Recht
des Beamten, das Dienstverhältnis jeder Zeit aufzulösen, wird auch
noch dadurch begründet, daß es das Korrelat zu der Disziplinargewalt
des Staates ist. Staat und Beamter stehen einander nicht wie gleich-
berechtigte Parteien, sondern wie Herr und Diener gegenüber; der
Staat hat sein Hoheitsrecht, seine Disziplinargewalt, um den Diener
zu zwingen; der Beamte hat den Schutz seiner Freiheit und Persön-
lichkeit in dem Recht, den Dienst zu kündigen und sich dem dadurch
begründeten Zwange zu entziehen. Ohne dieses Recht wäre der Staats-
dienst Sklaverei.
Wenn ein Beamter von diesem Rechte Gebrauch macht, so hat
er bis zur Erteilung der Entlassung noch alle Rechte und Pflichten
des Beamten, und er hat daher die Amtsgeschäfte noch bis zu diesem
Zeitpunkte zu führen. Die Entlassung der Reichsbeamten verfügt der
Kaiser, beziehentlich die von ihm dazu ermächtigte Reichsbehörde °).
Hinsichtlich der mittelbaren Reichsbeamten kann es aber keinem
Zweifel unterliegen, daß sie ihre Entlassung von dem Staate (Landes-
herrn) zu erhalten haben, der sie angestellt hat.
2. Der Staat hat dagegen der Regel nach nicht das Recht, das
Dienstverhältnis einseitig zu lösen. Zahlreiche praktische Gründe
1) Vgl. Pözl im Staatswörterbuch Bd.9, S. 713; Zachariäll, 8 142, S. 63 ff.;
Schulze, Preuß. Staatsrecht I, S. 346fg.; G. Meyer, Staatsrecht 8 152. Daselbst
Note 2 weitere Literaturangaben. Anderer Ansicht Löning, Verwaltungsrecht S. 134,
Note 1. Gegen ihn wendet sichRehm, Annalen 1885, S. 203, Note 2. Otto Mayer,
Verwaltungsrecht II, S. 230 erkennt den Rechtssatz an, will ihn aber aus einer „still-
schweigenden Klausel“ des Anstellungsaktes herleiten, nimmt also unnötigerweise
eine Fiktion zu Hilfe.
2) Nur diejenigen Juristen, welche in der Uebernahme eines Staatsamtes ledig-
lich die Erfüllung einer Untertanenpflicht finden, erklären die Niederlegung des Amtes
für unstatthaft, z. Be Gönner S. 258. Auch in diesem Punkte zeigt sich aber der
Gegensatz zwischen der Erfüllung von Untertanenpflichten durch Uebernahme
eines Amtes und dem freiwilligen Eintritt in das Staatsdienerverhältnis. Unbegründet
ist es aber, das Kündigungsrecht des Beamten als Argument gegen die Auffassung
der Anstellung als eines Vertrages zu verwerten, so z.B. Leoni S. 131; denn das
Mandat, die auf Lebenszeit oder unbestimmte Zeit geschlossene Dienstmiete, Gesell-
schaft u. s. w. beweisen, daß einseitige Aufkündigungsbefugnis mit vertragsmäßiger
Bindung sehr wohl vereinbar ist.
3) Reichsverfassung Art. 18, Abs. 1.