8 3. Geschichte des Völkerrechtes. 19
und Frankreich erwarteten, wurde in das „Europäische Konzert“ auf-
genommen; durch besonderen Vertrag vom 15.April 1856 garantierten
England, Frankreich und Österreich die Integrität der Türkei und er-
klärten, jede Verletzung des Friedensvertrages vom 30. März als Kriegs-
fall betrachten zu wollen. Rußland wurde von den seit 1829 beherrsch-
ten Donaumündungen abgedrängt, mußte in die Neutralisierung des
Schwarzen Meeres willigen (vgl. unten 8 26 II) und dem beanspruch-
ten ausschließlichen Schutzrecht über die Christen in der Türkei ent-
sagen. Die Frage der Donaufürstentümer Moldau und Walachei, die
seit denı Frieden zu Adrianopel 1829 halbsouverän waren, blieb spä-
terer Regelung vorbehalten; sie wurden durch Abkommen der Signatar-
mächte vom 19. August 1858 (Strupp Orient 78) zum Fürstentum
Rumänien vereinigt, das als halbsouveräner Staat unter der Oberhoheit
der Türkei stand. Serbien wurde als halbsouveräner Staat anerkannt.
Die Freiheit der Donauschiffahrt wurde von den Mächten ausgesprochen
und ihre Durchführung einer europäischen Kommission übertragen
(unten $ 27 II). Von besonderer Wichtigkeit aber war die Seerechts-
deklaration vom 16. April 1856, hervorgegangen aus der Einigung
der beiden großen Seemächte England und Frankreich (s. Anhang).
Sie bestimmte: 1. die Abschaffung der Kaperei; 2. die Freiheit
des Privateigentums im Seekrieg, soweit es sich nicht entweder um
.Kriegskonterbande oder um feindliches Gut unter feindlicher Flagge
handelt; 3. die Effektivität der Blockade.
Die meisten Staaten sind der Seerechtsdeklaration beigetreten;
sie ist aber seither in allen Seekriegen auch von denjenigen Staaten
beobachtet worden, die ihre Unterzeichnung verweigert hatten (so auch
von den Vereinigten Staaten und Spanien 1898).
2. In den auf den Pariser Frieden folgenden Jahrzehnten wurde
Asien mehr und mehr dem europäischen Einfluß unterworfen. Nach
Niederwerfung des ostindischen Aufstandes übernahm 1858 die eng-
lische Regierung an Stelle der ostindischen Kompagnie die Verwaltung
Indiens. Der englisch-chinesische Vertrag von Tientsin 1858 erschloß
dem europäischen Handel und den christlichen Missionen einen wei-
teren Teil der chinesischen Küste und begründete den ständigen diplo-
matischen Verkehr zwischen China und den europäischen Mächten.
Mit den deutschen Staaten schloB China am 2. September 1861 zu
Tientsin einen Freundschafts-, Schiffahrts- und Handelsvertrag (oben
8 1 Note 3), in den das Deutsche Reich durch Art.9 der Zusatzkon-
vention vom 31. März 1880 (R.G.Bl. 1881 S. 261) eingetreten ist.
Schon vorher hatte Japan (oben S.3) sich der Völkerrechtsgemeinschaft
genähert. Frankreich drang in Hinterindien vor (1862 Erwerbung des
Mündungsgebietes des Mekong); Rußland umklammerte China durch
die Erwerbung des Amurgebietes (1858) vom Nordosten und drang
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