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weltbewegenden Tendenzen zu wirklich eingreifenden Thaten nicht hat
bringen können.
Geschichtschreiber des vierzehnten Jahrhunderts.
Während Eckard, Tauler und manche Gleichgesinnte predigten,
der Gottesfreund seine geheimnisvollen Reisen machte und Rulman
seine mystischen Bücher schrieb: feierte die Straßburger Geschicht-
schreibung keineswegs. Was Ellenhard und die Dominicaner von
Colmar verheißungsvoll begonnen hatten, blieb nicht ohne Fortsetzung.
Ja das sinkende Jahrhundert hat einen Historiker hervorgebracht,
der sich in weiteren Kreisen des lebhaftesten Beifalls zu erfreuen hatte.
Das war der Canonicus Jacob Twinger von Königshofen
(geb. 1346, gest. 1420), dessen Chronik in ihrer ersten Bearbeitung
um 1390 erschien und einen fast beispiellosen Erfolg errang. Im
Elsaß, in der Schweiz, in Schwaben und Baiern, ja den Rhein
entlang bis nach Köln war sie verbreitet, und das ist für mittelal-
terliche Verhältnisse recht weit. In allen den genannten Ländern
hat das Buch den größten Einfluß auf die Historiker des fünfzehnten
Jahrhunderts ausgeübt, es wurde eifrig gelesen und benutzt, ausge-
zogen und fortgesetzt.
Wenn wir das von einem modernen Historiker hörten, würden
wir uns nicht einen Mann vorstellen, der viele Sprachen verstände,
viele Reisen gemacht, viele gelehrte Bücher gelesen, viele Archive
durchstöbert hätte? » »
Nichts von alledem hier. Der mittelalterliche Historiker ist ein
höherer Freibeuter. Er stiehlt und wird bestohlen. Was er für
seine Zwecke brauchen kann, eignet er sich ungenirt an und ist bei
seinen Fachgenossen auf gleiche Behandlung gefaßt: Autorrechte gibt
es nicht. So verfährt auch Königshofen.
Da war ein bischöflicher Staatsmann, Matthias von Neuenburg,
zugleich Bürger von Straßburg, der die Reichsgeschichte seiner Zeit
bis 1356 in dem besonnenen Tene und mit der Sachkenntnis eines