Geschichtliche Entwicklung 11
Frankreich verbreitete Spezialpolizei, die im deutsch-französischen Kriege
der Hauptträger der militärischen Spionage wurde. Nach dem Kriege
stellte die Republik sie dem Generalstab zur Verfügung, dessen „II. Büro“
nunmehr den planmäßigen Ausbau des „service de renseignements“ ge-
gen Deutschland übernahm. Heute, im Höhepunkt seiner militärischen
Macht, ist Frankreich der vollendete Meister und unbeschränkte Herrscher
auf diesem Gebiet. Fest liegt die Führung in der Hand einer zielbewußten
Machtpolitik.
Nur dann, wenn Deutschland über Staatsmänner des gleichen po-
litischen Wollens verfügte, zeigten sich auch bei ihm Ansätze einer im
Dienste der olitik arbeitenden Spionage. Sie bestand im Zeitalter
Friedrichs des Großen und Bismarcks. Ersterer verließ sich schon nicht
auf die Berichte seiner im Ausland beglaubigten amtlichen Vertreter und
auf die Versicherungen der an seinem Hof befindlichen fremden Diplo-
maten, sondern er verschaffte sich durch eigne Vertrauensleute eine
unabhängige und zuverlässige Kenntnis der Dinge und informierte sich
auf dem gleichen Wege über die militärische Rüstung seiner politischen
Gegner. Ebenso Bismarck. In den Kriegen unter seiner politischen
Führung bestand — wie zwischen der politischen und militärischen
Führung überhaupt — auf deutscher Seite jene vollendete Uberein-
stimmung zwischen militärischem und politischem Nachrichtendienst, die
damals Deutschland, im Weltkrieg aber seinen Gegnern den Weg zum
Erfolg erleichterte. Wie Bismarck die politische Lage übersah und be-
herrschte, vollzogen sich auch Moltkes militärische Anordnungen plan-
mäßig auf dem zuverlässigen Boden sicherer Nachrichten über den Feind.
Sein Entschluß, die auf Paris vordringenden deutschen Armeen im
Rechtsabmarsch auf das Schlachtfeld von Sedan zu führen, baute sich
auf einee Agenten-Nachricht aus Paris auf, die ihm den Aufbruch des
Marschalls Mac Mahon aus dem Lager von Chälons und seine Absicht
meldete, den rechten Flügel des deutschen Heeres in Richtung Metz zu
umgehen.
Ich habe, als ich mich in die Aufgaben des Nachrichtendienstes ein-
zuarbeiten hatte, noch Veteranen des Nachrichtendienstes aus jener Zeit
kennengelernt. Es war für mich, der ich bis dahin in der volkstüm-
lichen Auffassung von der untergeordneten Art von Spionen lebte, eine
UÜberraschung, diese in hoher geistiger und sozialer Schicht zu finden.
Ich lernte Menschen von vollendeten gesellschaftlichen Formen, höchster