Kriegsvorbereitung 17
richtendienst einzurichten und gleichzeitig die Abwehr gegen die über-
handnehmende russische Spionage an der Grenze organisieren.
So ging ich im Sommer 1906 nach Königsberg. Ehe ich meine
Tätigkeit begann, unternahm ich eine Reise in das noch unter dem
Ausklang der Revolution von 1905 stehende Rußland, um Land und
Leute kennen zu lernen, die mir aus eigener Anschauung bis dahin
fremd waren; und ohne diese Kenntnis schien mir meine Aufgabe nicht
lösbar zu sein. Ich hatte keinen Grund, in Rußland meine Stellung als
deutscher Offizier geheim zu halten. Uberall stieß ich aber deshalb auf
die Auffassung, daß ich zum Jwecke militärischer Erkundung nach Ruß-
land gekommen sei. Bei Aufenthalt in Festungen wurde ich überwacht.
In einer großen Stadt zeigte man sich auf das höchste erstaunt, daß
ich mich dort aufhielte, die Stadt sei doch gar keine Festung! Ein hoher
Beamter, dem ich Grüße seiner in Deutschland lebenden Verwandten
überbrachte, nahm mich sofort beiseite und fragte mich, was ich denn
wissen wolle. Offiziere, die ich kennen lernte, zeigten sich kameradschaft-
lich besorgt um mein Schicksal. Die Vorstellung, daß ein Offizier nur
zu Spionagezwecken ins Ausland reise, schien in Rußland überall selbst-
verständlich. Die Erklärung hierfür erhielt ich, als ich nach Rückkehr
aus Rußland mich meiner Aufgabe zuwandte, den Kampf gegen die
russische Spionage in Ostpreußen zu organisieren und es allmählich
gelang, diese mehr und mehr aufzudecken.
Bis zum russisch-iapanischen Kriege war die russische Spionage gegen
das lange Zeit befreundete Deutschland wenig tätig gewesen. Sie setzte
aber tatkräftig aus Furcht vor einer feindseligen Haltung Deutschlands
während dieses Krieges ein. Diese Furcht wurde politisch von Frankreich
genährt und führte den russischen mit dem französischen Nachrichten-
dienst zusammen. Der Wiederaufbau des russischen Heeres nach fran-
zösischen Weisungen und mit französischem Gelde brachte dann den
russischen Nachrichtendienst ganz unter den Einfluß und erschloß ihm
alle Lehren des seit langem ununterbrochen gegen Deutschland tätigen
französischen Spionagedienstes. Der selbstherrliche Polizei= und Beamten-
staat Rußland war wie kein anderer geeignet, sich der ihm zugewiesenen
neuen Aufgabe anzupassen. Dazu kam, daß die von Frankreich für
Rüstungszwecke zur Verfügung gestellten Geldmittel auch die Spionage
auf das reichlichste ausstatteten. Die Summen, die Spionen und Landes-
verrätern versprochen wurden, waren für die Verhältnisse in dem spar-
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