174 Spione und Landesverräter
stellung dessen, was sie sich zutrauten, war aber in den meisten Fällen
reichlich naiv. Nur wenige Fälle konnten einer ernsten Prüfung unter-
zogen werden und führten zur Tat, fast ausnahmslos auch bereits nach
zwei= oder dreimaliger Verwendung zum Ende, das ausnahmslos in
der Todesstrafe, auch gegen Frauen, bestand. So wurde eine Kranken-
schwester, die im feindlichen Auslande aufgewachsen war und bei der
alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Betätigung im Nachrichten-
dienst gegeben waren, in Frankreich nach kurzer Tätigkeit ermittelt
und erschossen. Ihr hinterlassenes Testament bestimmte, daß das von
ihr verdiente Geld der Verwundetenfürsorge zugute kommen sollte. In
einem anderen Falle war die Mutter zweier Offiziere, die im Felde
standen, nur mit Mühe davon abzubringen, daß sie als Spionin in das
Feindesland zurückkehrte, in dem sie erzogen war. Auch deutsche Kauf-
leute opferten ihren Besitz und ihr Leben, um dem Vaterlande zu dienen.
Es wird gewiß niemandem einfallen, derartiges Handeln zu verachten.
Ebenso verdient die Bevölkerung in Belgien und Frankreich höchste
Achtung für die Unterstützung, die sie den kämpfenden Brüdern im Nach-
richtendienst gewährte. Sie war von glühendem Patriotismus beseelt,
verlor in den langen Kriegsjahren niemals die Hoffnung auf den Sieg
ihres Volkes und trotz der für sie ohnehin schweren Last des Krieges,
oder vielleicht gerade wegen ihrer, niemals den Willen, zur Erreichung
dieses Zieles beizutragen. Viele Franzosen und Belgier beiderlei Ge-
schlechtes wurden der Begünstigung flüchtiger Soldaten oder der Spio-
nage, sowie dieser selbst überführt und nach den Kriegsgesetzen streng
bestraft. Sie waren auch dann alle ohne Ausnahme Helden. Selbst
angesichts des Todes waren nur wenige Schwächlinge. Sie starben,
ohne mit einer Wimper zu zucken, oft mit einem Ruf für ihr Vater-
land. Todesurteile an Frauen wurden in kaum einem Falle vollstreckt,
obgleich sie vielfach sich am leidenschaftlichsten betätigten. So über-
nahm eine junge französische Modistin die Leitung einer vordersten
Sammelstelle auf dem Kriegsschauplatz für eine große durch Belgien
nach Holland sich erstreckende Organisation, obgleich ihr bekannt war,
daß diese schon zweimal zerschlagen war und ihre beiden Vorgänger
auf vorderstem Posten zum Tode verurteilt waren. Bei aller persönlichen
Achtung vor solcher Betätigung reiner Vaterlandsliebe konnte die Oberste
Heeresleitung doch nicht angesichts der Verantwortung für die eignen
Truppen der milden Rechtsprechung durch die deutschen Feldgerichte in