48 Kriegsausbruch
erklärung erhielt. Die Kaiserin dagegen, die in diesen Tagen dem Kaiser
nicht von der Seite wich, nahm sie in leidenschaftlicher Erregung auf.
Aus ihrem zum Kaiser gesprochenen Worten: „Ich habe es immer
gesagt,“ könnte man entnehmen, daß das Kaiserpaar bis dahin ver-
schiedener Meinung über die Rolle Englands gewesen war.
Eine eigentümlich naive Auffassung der russischen Machthaber
brachten die auf beschwerlichem Weg über Stockholm zurückkehrenden
militärischen Vertreter Deutschlands beim russischen Hofe mit. Sie
berichteten, daß Mobilmachung und Kriegserklärung Deutschlands in
Petersburg überrascht hätten. Deutschland hätte doch einsehen müssen,
daß die russische Mobilmachung mehr Zeit brauche, als die deutsche.
Deutschland hätte darum warten müssen, ehe es den Krieg erklärte! Im
übrigen deuteten die Nachrichten auf nur wenig Begeisterung in Rußland
für den Krieg mit Deutschland.
In der Frühe des 16. August erfolgte die Abfahrt des Kaisers zum
Feldheer. Die Kraftwagen konnten sich kaum den Weg zum Anhalter
Bahnhof durch die Menschenmassen bahnen, die den Kaiser begeistert
begrüßten. Nach ernstem Abschied des Kaiserpaares ging die Fahrt über
Würzburg und Mainz nach Koblenz. Dieser Umweg wurde gewählt, um
vor den in Deutschland zahlreich vorhandenen feindlichen Beobachtern
zu verbergen, daß die Oberste Heeresleitung sich hinter den rechten
Heeresflügel begab, der den Schwerpunkt der ersten Operationen bilden
sollte. Trotzdem war die Fahrt des kaiserlichen Zuges der Bevölkerung
bekannt geworden. Sie säumte an vielen Stellen die Bahnlinie ein und
erwies dem Kaiser ihre Huldigung. Die würdige und ernste Haltung
der Bevölkerung bildete einen Gegensatz zu der hochfliegenden Begeiste-
rung, die sich in den Straßen Berlins während der vergangenen Tage
um den Kaiser und um den Generalstab gedrängt hatte. Diese ernste
Stimmung stand mit der des Kaisers und der Obersten Heeresleitung
mehr im Einklang. In Koblenz brach das Temperament der rheinischen
Bevölkerung wieder in leidenschaftlicher Begeisterung durch.
Ich habe bei diesen Erinnerungen etwas länger verweilt, weil sie
zeigen, welchen Erfolg der feindliche Nachrichtendienst durch die bald
unter englischer Führung einsetzende Propaganda gegen den Kaiser er-
reicht hat, wenn die Behauptung Glauben fand, Deutschland werde einen
annehmbaren Frieden erhalten, wenn es seinen Kaiser preisgebe. Dieser
Glaube fraß bis in die höchsten Stellen des Reiches hinein und führte