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Leichnam nicht, wie bei uns, ins Grab, sondern man trug ihn, mit
Waffen geschmückt, in feierlichem Gepränge auf einen freien Platz.
Auf einem Scheiterhaufen übergab man alsdann die Leiche den
Flammen und sammelte sorgfältig Knochen und Asche, um beides in
einer Urne aufzubewahren. Ebenso sammelte man die Thränen,
welche die Hinterlassenen und Verwandten des geliebten Entschlafenen
vergossen hatten, und bewahrte sie in besonderen Näßpschen auf,
welche Thränennäpfchen hießen. Die Urne setzte man unter feier-
lichen Gebräuchen in die Erde und umstellte sie mit diesen Thränen-
näpschen.
Bei Lommatzsch und bei Dresden mögen wohl die größten
Begräbnißplätze gewesen sein. Hier wurden dem kühlen Schoß der
Erde Tausende und Abertausende von Urnen mit den Ueberresten
geliebter Todten übergeben. Obgleich seit jener Zeit über tausend
Jahre dahingeschwunden sind, so haben sich doch viele dieser Urnen
ganz unversehrt bis auf unsere Zeit erhalten. In der Gegend
zwischen Lommatzsch und Mügeln entdeckte man im Jahre 1737
eine große Menge mit Knochen und Asche angefüllte Urnen, und jetzt
noch werden in jener Gegend einzelne Urnen ausgegraben. Da, wo
sich gegenwärtig das Auge des Landmannes an den üppigen Getreide-
fluren erquickt, weinten vor 1000 Jahren die Sorben-Wenden heiße
Thränen um geliebte Todte.
Noch größer scheint die Begräbnißstätte bei dem jetzigen Dresden
gewesen zu sein. In der Nähe der Annenkirche heißt ein Theil der
Wilsdruffer Vorstadt Poppitz. Zu jener Zeit war Poppitz ein
ärmliches Dorf und bildete den Mittelpunkt eines großen Begräbniß-
platzes, der sich bis zur jetzigen Friedrichstadt und bis an das
Pirnaische Thor ausdehnte. Als man im Jahre 1678 in der Wils-
druffer Vorstadt für die Kurfürstin von Sachsen, Gemahlin Johann
Georg II., einen Garten anlegte, fand man an einer nicht großen
Stelle 70 Urnen, von welchen jedesmal 5, manchmal auch 9 mit
Steinen umsetzt waren. Im Jahre 1738 stellte man (auf der Langestraße)
den schönen großen Garten her, welcher jetzt dem Prinzen Georg
gehört, und fand bei dieser Gelegenheit ebenfalls eine Anzahl solcher
Urnen. Selbst in Friedrichstadt und am Pirnaischen Thore sind
dergleichen Ueberreste einer längst verschwundenen Zeit aufgefunden
worden. Welche Veränderungen sind seit jener Zeit eingetreten!
Lange Straßen mit hohen und stattlichen Häuserreihen erheben sich
über der Asche des heidnischen Volkes, welches einst das Land be-
wohnte, das wir nun innehaben. Wie wird es nach Jahrhunderten,
vielleicht nach Jahrtausenden in der Hauptstadt unsers geliebten
Vaterlandes aussehen? Kein menschliches Auge vermag die Zukunft
zu durchdringen. Nur Gott allein weiß zuvor, was nachher
kommen soll.