Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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hatten dieselben auch fast 3 Millionen Mark gekostet, eine Summe, womit 
August der Starke Werke auf Jahrhunderte hinaus hätte schaffen können. 
Geben wir auch zu, daß er durch sein glanzvolles Auftreten zugleich 
auch Sachsens Ansehen nach Außen hin erhöhen wollte, so bleibt es 
doch zu bedauern, daß das an sich recht lobenswerthe Bestreben nicht 
zur Anwendung anderer Mittel führte. Ein so begabter Mann, wie 
August der Starke, hätte Sachsen auf dieselbe Weise zu Ansehen 
bringen können, wie Vater August. Unter diesem sahen wir auch 
Fremde in Sachsen, aber nicht als Theilnehmer an Freude und Lust, 
sondern als Lernbegierige, welche die musterhaften Einrichtungen 
kennen lernen wollten, um sie dann in ihrem Vaterlande zur Ein— 
führung zu bringen. 
78. Volkssitten. Volksbildung. Schulunterricht. Innungsgebräuche. 
Tod Eriedrich August I, den 1. Februar 1733. 
Augusts Prachtliebe äußerte ihren Einfluß zunächst auf die 
höheren Stände. Diese überließen sich damals einer Verschwendung 
in Kleidung und in Vergnügungen, wie sie jetzt nur selten vorkommt. 
Nur der Bauern= und der Bürgerstand hielt beharrlich an seinen 
einfachen Sitten fest. Im allgemeinen begnügte man sich in diesen 
Kreisen mit den Hochzeits-, Tauf= und Kirmes-Vergnügungen; nur 
erhielten dieselben durch die Aufnahme eines neuen Gastes bei den 
Männern eine etwas andere Gestalt. Dieser neue Eindringling war 
nämlich die Karte. Mit dem Kartenspiel wurde damals ein so arger 
Mißbrauch getrieben, daß die Obrigkeit gegen dasselbe die härtesten 
Verbote erlassen mußte. 
Gleichzeitig mit diesen Verboten erschienen unter August dem 
Starken Verordnungen, welche die Bildung des Volkes heben sollten. 
Es wurde nicht blos, wie schon früher geschehen, der Schulbesuch der 
Knaben auf dem Lande gesetzlich geregelt, sondern auch den Eltern — 
und zwar zum ersten Male — zur Pflicht gemacht, ihre Töchter an 
dem Schulunterricht Theil nehmen zu lassen. Zwar war der Unterricht 
in den Land= und in den unteren Stadtschulen damals lange nicht 
so vollkommen wie jetzt, aber er brachte doch reiche Früchte, denn das 
Beispiel der Erwachsenen wirkte segensreich auf die Jugend. Die 
Landleute und die mittleren und unteren Stände in der Stadt hielten 
streng auf Zucht und Sitte, besuchten den Gottesdienst sehr regel- 
mäßig und gingen so fleißig zum heiligen Abendmahle, daß die Zahl 
der Communicanten in einer Stadt von 2—3000 Einwohnern ebenso 
groß war, als jetzt bei einer Bevölkerung von 8—12 000. Und 
daß es bei vielen ein reiner und unbefleckter Gottesdienst war, gab 
sich besonders auch darin kund, daß man die Waisen und Witwen in
	        
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