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Professoren behaupteten, sie müßten drei Stimmen und die anderen
nur eine Stimme erhalten. Natürlich waren die Polen und Deut—
schen mit dieser Beschränkung nicht zufrieden und erklärten feierlich,
sie würden Prag verlassen, sobald ihnen ihr Recht genommen werden
sollte. Man legte diesen Streit dem König Wenzel, der damals
über Böhmen herrschte, zur Entscheidung vor. Dieser begünstigte
überhaupt die Böhmen mehr, als die Deutschen, und so war mit
Gewißheit vorauszusehen, daß er sich zu Gunsten der Böhmen aus-
sprechen werde. So kam es auch. Die Polen und Deutschen hatten
auf einmal ein wichtiges Recht verloren und sie sahen mit Gewiß-
heit voraus, daß sie in Zukunft bei allen Abstimmungen im Nach-
theil bleiben würden.
Daß die deutschen und polnischen Professoren ihre Drohung,
auswandern zu wollen, sobald man ihnen ihr Recht nähme, aus-
führen würden, glaubten die Böhmen anfangs nicht; aber sie hatten
sich zu ihrem Schrecken gewaltig getäuscht. Man rüstete sich zum
Abzuge, und in den Jahren 1408 und 1409 zogen Tausende von
Studenten mit ihren Professoren zu Prags Thoren hinaus, um nie
wiederzukehren. Ihnen schlossen sich auch viele deutsche Einwohner
der Stadt an, weil man auch ihnen alte wichtige Rechte entzogen hatte.
Mit Entsetzen sahen die Böhmen den so massenhaft Fortziehenden nach,
da nun die von den Studenten gemietheten Wohnungen leer standen
und der bei diesen Miethsleuten gefundene Verdienst aufhörte.
Zu einem wahren Schreckenstage für Prag wurde der 11. Mai
1409. An diesem Tage verließen in langen, langen Zügen 5000 Stu-
denten diese Stadt. Ungefähr 2000 von ihnen lenkten ihren Wander-
stab nach dem Meißnerlande. Friedrich der Streitbare nahm die
jungen Einwanderer mit offenen Armen auf und wies ihnen die
Stadt Leipzig zu ihrem Aufenthalte an. Mit größtem Eifer wurden
vorläufig einige Gebäude zur Universität eingerichtet, viele Einkünfte
wurden der neuen Hochschule zugewiesen und gelehrte Männer als
Professoren angestellt. Zur Freude des ganzen Landes konnte die
neue Universität schon am 2. December 1409 feierlich eingeweiht
werden. Dieses Ereigniß war für Leipzig und für das ganze
Meißnerland von außerordentlicher Wichtigkeit. Die Jünglinge in
Mitteldeutschland fanden nun näher, was sie früher in Prag und
Paris suchen mußten, und da die Universität Leipzig mit jedem Jahre
vervollkommnet wurde, so verbreitete sich ihr Ruf in kurzer Zeit über
ganz Deutschland. Aus fernen Gegenden eilten Jünglinge herbei,
um in Leipzig zu studiren.
Kenntnisse und Wissenschaften wirkten aber auch heilsam auf
das ganze Land. Wo Finsterniß und Unwissenheit herrscht, da findet
man die meiste Empörung gegen die Obrigkeit, den größten Aber-
glauben und den unchristlichsten Religionshaß.