114 Elftes Buch. Erstes Capitel.
Noch hielt es Friedrich an sich für eine unbestrittene Regel der Kunst,
die Spitzen der Truppen weit vorzuschieben; was nun auch Prinz
Carl unternehme, er glaubte auf Alles vorbereitet zu sein. Sollte
er sich auf Oesterreich zurückziehen, um dies zu schützen, so könne
Seckendorf, der indeß nach Schärding vordringen, sich Passaus be-
mächtigen müsse, den Preußen die Hand bieten; sollte, was wahr-
scheinlicher sei, der Prinz seinen Weg nach Böhmen nehmen, dann
komme es auf eine Bataille an; der König zweifelte nicht, daß er
darin siegen werde; „ich denke, ich werde nicht Lügen gestraft werden,
die Armee soll Ehre von meiner Unternehmung haben“. Anfang
October schreibt er nach Berlin, Alles gehe gut und verspreche ferner
so zu gehen; die Armee sei in erwünschtem Gesundheitszustand, Offi-
ziere und Soldaten in der besten Stimmung und geneigt, einen ent-
scheidenden Schlag zu führen; er bedauert nur, daß die Jahreszeit
schon zu weit vorgerückt sei, sonst würde sich in diesem Feldzug noch
viel ausrichten lassen.
Gewiß, er nahm eine großartige Stellung ein: er sah Böhmen
zu seinen Füßen, er hoffte in dem nächsten Jahre einen Frieden nach
seinem Sinne vorschreiben zu können; niemals war er mächtiger ge-
wesen. Eine welthistorische Frage, wie es ihm weiter gelingen würde.
Nächste Wirkungen des preußischen Angriffes.
In Wien erregte der Einfall des preußischen Königs mit nichten
Schreck, noch auch eine sehr ernstliche Besorgniß, sondern eher ent-
gegengesetzte Empfindungen.
Der Anfang des Feldzuges, von dem man eine Entscheidung in
Deutschland und in Italien erwartete, war mit ungewohnten An-
dachtsübungen begleitet worden, dreimal vierundzwanzigstündigem Ge-
bet, zu welchem die Königin früh und Nachmittags von Schönbrunn
hereinkam.
Die ersten Verluste in den Niederlanden hatten Jedermann mit
Unmuth erfüllt; die Königin glaubte sich über den Mangel an ernst-
lichen Anstalten von Seiten Englands beschweren zu dürfen; es kam
ihr beinahe vor, als sähe man dort die Fortschritte der Franzosen
nicht ungern, weil dadurch ein Strich Landes in ihre Hände gerathe,
mit dessen Herausgabe sie dereinst die Wiederherstellung von Baiern
vergüten könnten.
Mit um so größerer Freude wurde darauf der Uebergang der