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zur Last fallen koͤnnen, wenn sie sich, ohne
einen wesentlichen Wohnsitz zu nehmen, eine
Reyhe von Jahren hindurch daselbst aufge—
halten haben, daß folglich dergleichen Per-
sonen, im Falle ihrer Hülfsbedüeftigkeit, im-
mer an den Ort, wo sie zuletztt ein Domicil
gehabt, oder, in dessen Ermangelung, an
ihren Geburtsort, zurück zu weisen wären,
wohin auch — kam man ferner zu F. XI.
überein — die Wittwe und Kindet derselben
gewiesen werden müßten, weil das bloß zu-
sällige Gebohrenwerden an einem Hrte, die-
lem Orte die Verbindlichkeit fur den Unter-
halt des Gebohrenen zu sorgen, nicht auf-
wälzen, vielmehr das neu gebohrne Kind keine
andere Heymath haben bönne als die seiner
Eltern oder seiner unverheyratheten Mutter,
auch der biöher entgegengesehzt angenommene
Sah, in einzelnen Fällen, zu großen Här-
ten gegen fremde schwangere Personen, die
Veranlassung geben müsse.
Diese Bestimmungen föhrten auf die
Frage: ob das Heyrathen, hinsichtlich des
künftigen Erwerbs und Unterkommens, von
Staatswegen unbedingt oder nur dann zu
gestatten sep, wenn der Mann an irgend ei-
nem Orte das Bürger= oder Nachbarrecht er-
worben habe? Einige Mitglieder der Ver-
sammlung waren der Meynung, daß die
Ehe auf alle Weise zu begünstigen und als
eines der wichtigsten Rechte des Menschen
von der Erlangung des Bürger= oder Nach-
darrechts nicht abhängig zu machen sey; die
Mehrheit glaubte jedoch zunächst für die
Ordnung und Sicherheit der bürgerlichen
Gesellschaft in ihren einzelnen Gemeinden und
lür die Erziehung der ehelichen Kinder durch
die allgemeine gesetzliche Bestimmung sorgen
in müssen: daß Niemand getraut werden
könne, der nicht an irgend einem Orte das
Bürger-oder Nachbarrecht erlangt habe, daß
iedoch solches den Ortseingebohrenen, Be-
huf5 deren Verhehyrathung, nicht erschwert
werden dürfe.
Als Folge hiervon wurde anerkannt, daß
die, welche sich bloß temporär an einem ODr-
te aufhalken und das Burger-oder Nachbar-
recht daselbst nicht erlangen, dort nicht eher
getraut werden bönnen, bis sie von dem
Orte ihres eigentlichen Domicils beybringen,
daß sie nothigen Falls daselbst mit Frau
und Kind wieder aufgenommen werden, es
soy denn, daß der, bey welchem sie sich auf-
halten, für deren Versorgung genügende
Sicherheit stellen bönne.
Nach allen diesen, hinsichtlich der Poli-
zey-Verordnung von 1808., angenommenen
Grundsätzen, glaubte man deren Umarbei-
tung und, wenn solche erfolgt sey, deren
Einführung im gesammten Großherzogthume
in Antrag bringen zu bönnen, jedoch mit
dem Zusaßze: daß die in Beziehung auf Aus-
länder etwa nöthigen abändernden Bestim-
mungen von denjenigen Conventionen abhän-
gig gemacht werden müßten, welche mit den
Bundes= und andern Staaten abgeschlossen
worden oder noch abzuschließen wären.
Referent gieng nun über zum #Kten Punk-
te des hôchsten Decretes vom 11ten Decem—
ber 18290. (S. 40. d. Bl.) das Verbot
der Verheprathung vor zurückge-
legtem 24sten Jahre des Mannes,
und dessen Erstreckung auf das gesammte
Großherzogkhum betreffend. Es bildeten sich
hierüber zwey Meynungen, die eine: daß
dieses Verbot ganzlich aufzuheben, oder we-
nigstens bis auf das zurückgelegte 21 ste Jahr
zu beschränken sey, weil dadurch der zuneh-
menden Sittenlosigkeit begegnet werde, weil
die ersten Neigungen die glücklichsten Ehen
begründen, weil bey einer Beschränkung je-
ner Art mancher von einer vortheilhaften
und glücklichen Verbindung abgehalten wer-
de, weil dieses dem Gesetze die gerechtesten
Vorwürfe zuziehen konne, und weil end-