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freygewaͤhlte Vertreter aus seiner Mitte bey
der Gesetzgebung und Verwaltung des Gan-
zen mitzuwirken; so kann man es in der
Beurtheilung und Verwaltung seiner eignen,
ihm zunächst liegenden, und die Einzelnhei-
ten betreffenden Angelegenheiten nicht zu
sehr beschränken.
) Der rege Wunsch nach einer freyen
Wirksamkeit in dieser Art, ist nicht anzu-
sehen als ein Trachten nach unstatthafter
Unabhängigkeit von der Regierungsgewalt
oder als eine Verminderung der Machtvoll-
kommenheit des Landesfürsten, indem der
Landtag der festen Ueberzeugung ist, daß
nur eine kräftige Ausübung der Regierungs-
rechte da, wo das Bedürfniß regiert zu wer-
den vorliegt, zum Wohl des Ganzen, so
wie des Einzelnen gereiche.
5) Durch ein stetes Einschreiten der all-
gemeinen Staatsgewalt in die besondern
örtlichen und persönlichen Verhältnisse aber
zersplittert sie ihre Kräfte, und verlsert um
so mehr an Ausehen und Gewicht, je mehr
sie, gleichsam wie zum alltäglichen Leben
gehörend, die Staatsbürger an ihr Daseyn
gewöhnt.
6) Durch ein, oft unneêthiges Beein-
trächtigen der natürlichen Frepheit, vermin-
dert sich die Liebe zur Regierungswirksam-
keit, und sie erscheint, durch den vermehr-
ten Aufwand, den sie verursacht, indem
man ihr Bedürfniß nicht einsieht, als eine
Last.
7) Von allen dem aber wird das Ent-
gegengesetzte sich zeigen, wenn die Staats-
gewalt nur da mit ihrer Thätigkeit hervor-
tritt, wo entweder das Gesammtwohl und
die Sicherheit des Staats dieselbe verlan-
gen, oder die Nothwendigkeit auf andere
Weise vor Augen liegt, oder die Betheilig-
ten selbst zur Mitwirkung sie auffordern.
Hierauf wendete sich der Vortrag zur
Erörterung derjenigen Thatsachen und
Verhältnisse, welche einen, diesen Wunsch
erregenden, Zustand der Dinge herbengesführt.
Die nun überstandene unruhvolle Zeit
brachte nämlich Erfordernisse mit sich, die
in frühern Verhaltnissen ganz unbekannt
waren. Die Befriedigung dieser Erforder-
nisse aber und andere von außen einwirken-
de Umstände, machten Behörden nothwendig,
deren Wirkungskreis der ungewöhnlichen Zei-
ten wegen, in ungewöhnlicher Maaße erwei-
tert werden mußte, und so kam allmählig
Manches, was man früher den Betheiligten
allein zur Besorgung überlassen hatte, noth-
gedrungen und ohne alle Schuld der Regie-
rung (wie die Wiederholung dieser Erschei-
nungen im ganzen deutschen Vaterlande zeigt)
in die Hände und den Amtsbereich der Be-
hörden. Hierzu kam spaterhin noch beson-
ders, daß den alten Landen mehrere, in ih-
rem Verhältniß zum Ganzen und unter sich
durchaus verschiedene Landestheile einverleibt
wurden. Diese Verhältnisse zu erkunden
und zu erwägen, damit sie zum Ganzen ge-
ordnet werden konnten, bediente man sich
sehr zweckmäßig der einmal bestehenden, und
stärker besetzten Behörden und benutzte bey
dem vorliegenden Geschäftsandrange, die Fä-
higkeit und Thätigkeit der, in großer An-
zahl aus den neuen Landestheilen zum Gan-
zen übergegangenen Staatdiener.
Die jetzigen Verhältnisse aber, fuhr der
Vortragende fort, sind von den frühern sehr
verschieden; das Großherzogthum hat sich
allmáhlich immer mehr zu einem Ganzen
geordnet; der Andrang des Organisations-
geschäfté ist voruber; die Geschäftsthätigkeit
der Beyôrden wird immer mehr in den fru-
her gezogenen Kreis zurück gewiesen; die
Nothwendigkeit, das Einzelne wegen des
Ganzen unablässig im Auge zu haben, ist
ver z-angen und überhaupt der Zustand eines
minder bewegten Lebens eingetreten. Ganz
anders würden daher der Geschäftsbereich