Full text: Regierungs-Blatt für das Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach auf das Jahr 1852. (36)

256 
II. Die Belästigung mehrer Theile des Neustädtischen Kreises durch Bett- 
ler hat sich in neuerer Zeit, ungeachtet mehrfach vorübergehend eingetretener 
Verstärkung der Gendarmerie, in so bedenklicher Weise gesteigert, daß es zu 
einer wichtigen Aufgabe der Staats= und Gemeinde-Behörden geworden ist, im 
ZJusammenwirken mit der Bevölkerung diesem Unwesen kräftigst entgegen zu treten. 
Es wird nicht verkannt, daß bei der Eigenthümlichkeit der Gewerbsrichtung, 
welche ein beträchtlicher Theil des Gewerbsstandes im Bezirke verfolgt, von Zeit 
zu Zeit Stockungen der Arbeit und des Verdienstes eintreten, durch welche Viele 
augenblicklich in Verlegenheit und Noth gerathen. Aber dieser Uebelstand kann 
es nicht rechtfertigen, daß dann, mit Nichtbeachtung der für die geordnete Ar- 
menpflege geltenden Regeln, Schaaren von Bettlern, insbesondere auch von Kin- 
dern, sich nach allen Richtungen hin über das Land ergießen und oft mit Zu- 
dringlichkeit und Unverschämtheit Gaben fordern. Selten kommt auf diese Weise 
die Unterstützung in die richtigen Hände, oft geht deren Ertrag bei den Ein- 
zelnen über das wahre Bedürfniß hinaus und immer ist es, namentlich bei Kin- 
dern, für das Ehrgefühl, das Selbstvertrauen und die Sittlichkeit im höchsten 
Grade gefährlich, die Gewöhnung an die Anrufung fremder Hülfe einwurzeln. 
zu lassen und so das Gefühl der eigenen Kraft zu ersticken, die Trägheit des 
Geistes und Körpers zu fördern und dem Laster und Verbrechen die Bahn zu 
öffnen. 
Ausgehend von diesen Erwägungen hat das unterzeichnete Staats-Mini- 
sterium dem Großherzoglichen Direktor des fünften Verwaltungsbezirks die An- 
weisung ertheilt, durch die Polizei-Behörden auf das Strengste gegen den Bettel- 
unfug nach Maßgabe der bestehenden Gesetze einschreiten zu lassen. Es ist be- 
kannt, daß ein großer Theil der Belästigung der diesseitigen Orte von Bettlern 
aus benachbarten Staatsgebieten ausgeht. Deshalb ist Anordnung getroffen 
worden, diese aus Nachbargebieten eindringenden Bettler durch geeignete Zwangs- 
maßregeln zu entfernen. 
Zur gründlichen Abstellung des Bettelwesens im Inlande gehört vor Allem 
die in allen Gemeinden vorzunehmende sorgfältigste Ordnung der Armen- 
pflege. Die dieserhalb bestehenden gesetzlichen Vorschriften sind gut und aus- 
reichend, bedingen aber den thätigen Eifer der Gemeindebehörden und die Un- 
terstützung derselben durch menschenfreundlich gesinnte Bürger, die sich über die 
in das innerste Volksleben eingreifende Wichtigkeit jenes Verwaltungszweigs nicht 
täuschen. Es werden daher durch den Großherzoglichen Bezirks-Direktor die 
geeigneten Anweisungen an die Gemeindebehörden ergehen und das unterzeichnete 
Staats-Ministerium erwartet von den letzteren die Erfüllung ihrer Pflicht, rechnet
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.