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e) Nachsitzende Schüler müssen stets von einem Lehrer beaufsichtigt
werden.
d) Die körperliche Züchtigung kann in der Volksschule nicht ganz ent-
behrt, soll aber nur in seltenen Fällen angewendet werden und
zwar da, wo bei erheblichen Fehlern andere Strafen sich wiederholt
als unwirksam erwiesen haben, oder bei einer durch andere Mittel nicht
wohl zu bemeisternden boshaften Neigung oder Widerspenstigkeit.
Selbstverständlich ist aber auch in diesen Fällen jedesmal die Indivi-
dualität des Falles und des Kindes wohl zu berücksichtigen und nur da, wo
aus ihr keine mildere Behandlung sich rechtfertigen würde, die körperliche
Züchtigung anzuwenden.
Darnach wird es namentlich vorkommen können, daß im sonst geeigneten
Falle die körperliche Züchtigung bei hartnäckiger, frecher Lüge, bei
Widersetzlichkeit, muthwilliger Mißhandlung jüngerer schwacher
Kinder, Thierquälerei, Baumfrevel in Wiederholungsfällen und bei
Diebstahl ernsterer Art angewendet wird.
Da die körperliche Züchtigung auf die leibliche Schmerzempfindung nicht
allein gerichtet ist, und der strafende Lehrer an des Vaters Stelle dem schul-
digen Kinde gegenüber steht, so hat fich der Lehrer vor, während und nach der
Strafe vor Gleichgiltigkeit oder kaltem Spott ebenso sehr, wie vor
leidenschaftlicher Erregtheit oder nachtragendem Zürnen zu hüten.
In manchen Fällen wird es sich empfehlen, die Züchtigung auf das
Ende der Lehrstunde oder des Unterrichts zu verschieben.
Als Züchtigungs-Instrument ist nur ein dünnes, biegsames Stöckchen
zulässig, welches auch während des Unterrichts im Schulschrank aufbewahrt und
nur, wenn Körperstrafen nothwendig werden, hervorgeholt wird.
Schmerzerregende Strafen am Kopfe, auf dem Rücken oder den
Händen sind zu vermeiden.
Bei Mädchen sollen überhaupt und bei Kindern in den ersten zwei
Schuljahren körperliche Strafen nicht angewendet werden.
Im Uebrigen hoffen wir, daß die Lehrer des Landes beim Werke der
Erziehung und des Unterrichts sich jederzeit von der Ueberzeugung leiten lassen,
daß der rechte Erzieher das nöthige Uebergewicht über die Jugend durch äußere
Zuchtmittel allein weder erlangt noch behauptet. Je treuer und gewissenhafter
er in seinem Berufe, je mehr er seines Stoffes mächtig ist, je mehr er bei
seiner Schulführung sich ebenso vom Geiste der Liebe, wie von dem der ernsten