Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 4.) 33
Schließlich werden statt der von der Regierung geforderten
3½ Millionen 2½ Millionen für Ostafrika bewilligt.
4. Februgr. Im „Vorwärts“ erläßt die sozialdemokra-
tische Fraktion des Reichstags folgenden Aufruf:
„Parteigenossen! In Ausführung des auf dem Parteitage zu Halle a. d. S.
gefaßten Beschlusses und in Rücksicht auf die Notwendigkeit, die im Jahre
1889 vom internationalen Arbeiterkongresse zu Paris beschlossene Kund-
gebung zu Gunsten des Achtstundentages zu einer einheitlichen und wirk-
samen zu gestalten, hat die unterzeichnete Fraktion nach eingehender Er-
örterung mit allen gegen eine Stimme beschlossen: den deutschen Arbeitern
zu empfehlen, die Maifeier am ersten Sonntag im Mai zu begehen und
weiter dahin zu wirken, daß auch für die Zukunft der gleiche Tag fest-
gehalten wird. Als Hauptgrund für diese Entscheidung fiel ins Gewicht,
daß ein Tag zu wählen sei, welcher der gesamten Arbeiterklasse die Be-
teiligung an der Kundgebung ermöglicht. Hierzu erscheint nur der Sonntag
geeignet. Jeder andere Tag der Woche macht es einer sehr großen Zahl
von Arbeitern unmöglich, an der Feier teilzunehmen. Einmal ist vielen
Arbeitern das Feiern an einem Werktage besonders zu einer Zeit unmöglich,
wo die bürgerlichen Feiertage sich häufen. Sodann hält auch die Erwägung
von Konflikten mit der Unternehmerschaft viele Arbeiter von der Beteiligung
ab. Hiezu kommen noch als besondere Hinderungsgründe für das laufende
Jahr die außergewöhnlich lang andauernde Arbeitslosigkeit während der ver-
flossenen harten Wintermonate und die zunehmende wirtschaftliche Krisis,
welche an sich schon Zehntausende von Arbeitern auf das Pflaster wirft und
die gesamte Arbeiterschaft in noch höherem Grade als sonst der Willkür der
Unternehmer preisgibt. Parteigenossen! Dies sind die Erwägungen, die uns
bestimmt haben, den Arbeitern Deutschlands den ersten Sonntag im Mai
für die Achtstunden-Kundgebung vorzuschlagen. Wir sind überzeugt, daß
ihr diesem Vorschlage mit Einmütigkeit beitreten werdet. Es handelt sich
nun darum, unverzüglich alle Vorbereitungen für die Feier zu treffen, welche
insbesondere in Massenumzügen und Massenversammlungen zu bestehen haben
wird. Eure Aufgabe ist es, durch zweckentsprechende Organisationen dafür
zu sorgen, daß die Kundgebung in imposanter, würdiger und ruhiger Weise
verläuft. Parteigenossen! Angesichts der Hartnäckigkeit, mit der die Regie-
rungen und die herrschenden Klassen sich weigern, in eine gesetzliche Be-
schränkung der Arbeitszeit für alle Arbeiter im Interesse ihres körperlichen
und geistigen Wohlbefindens zu willigen; angesichts der Thatsache, daß das
kapitalistische Produktionssystem uns eben wieder einer Krisis von unabseh-
barer Dauer entgegenführt, in welcher das Ueberangebot von Händen und
die Lohndrückerei in Permanenz gelangen, wo also eine Verkürzung und
gesetzliche Festlegung des Arbeitstages das einzige Mittel ist, um den schlimm-
sten Wirkungen dieses Zustandes einigermaßen zu begegnen: erscheint es als
eine ganz besondere Pflicht, alles aufzubieten, um die Maifeier zu einer
wahrhaft großartigen Kundgebung zu gestalten. Hoch die internationale
Sozialdemokratie!“
4. Februar. Der Agitator Warken als Vorsitzender des berg-
männischen Rechtsschutzvereins richtet anläßlich des Jahrestags der
Allerhöchsten Erlasse vom 4. Februar 1890 folgendes Ergebenheits-
und Danktelegramm an den Kaiser:
„Die Ew. Majestät treu bis in den Tod ergebenen Bergleute des
Europ Geschichtskalender. Bd. XXXII. 3