Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1876. (10)

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§. 235. 
Wer eine minderjährige Person durch List, Drohung oder Gewalt ihren 
Eltern oder ihrem Vormunde entzieht, wird mit Gefängniß und, wenn die Handlung 
in der Absicht geschieht, die Person zum Betteln oder zu gewinnsüchtigen oder 
unsittlichen Zwecken oder Beschäftigungen zu gebrauchen, mit Zuchthaus bis zu 
zehn Jahren bestraft. 
§. 236. 
Wer eine Frauensperson wider ihren Willen durch List, Orohung oder 
Gewalt entführt, um sie zur Unzucht zu bringen, wird mit Zuchthaus bis zu 
zehn Jahren und, wenn die Entführung begangen wurde, um die Entführte zur 
Ehe zu bringen, mit Gefängniß bestraft. 
Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. 
§. 237. 
Wer eine minderjährige, unverehelichte Frauensperson mit ihrem Willen, 
jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern oder ihres Vormundes, entführt, um sie 
zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen, wird mit Gefängniß bestraft. 
Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. 
§. 238. 
Hat der Entführer die Entführte geheirathet, so findet die Verfolgung nur 
statt, nachdem die Ehe für ungültig erklärt worden ist. 
§. 239. 
Wer vorsätzlich und widerrechtlich einen Menschen einsperrt oder auf 
andere Weise des Gebrauches der persönlichen Freiheit beraubt, wird mit Ge- 
fängniß bestraft. 
Wenn die Freiheitsentziehung über eine Woche gedauert hat, oder wenn 
eine schwere Körperverletzung des der Freiheit Beraubten durch die Freiheits- 
entziehung oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung verursacht 
worden ist, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. Sind 
mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem 
Monat ein. 
Ist der Tod des der Freiheit Beraubten durch die Freiheitsentziehung oder 
die ihm während derselben widerfahrene Behandlung verursacht worden, so ist 
auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände 
vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. 
§. 240. 
Wer einen Anderen widerrechtlich durch Gewalt oder durch Bedrohung mit 
einem Verbrechen oder Vergehen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung 
nöthigt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu 
sechshundert Mark bestraft. 
Der Versuch ist strafbar.
	        
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