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„Theure Mitbürger! Die Belagerung hat begonnen. Eine französische
Regierung wagt das preußische Werk fortzusetzen, indem sie unsere Stadt
bombardirt. Wir protestiren im Namen von ganz Paris, entrüstet und er-
bebend. Es ist Zeit, diesem Bruderkampf ein Ziel zu setzen. Schreckliche
Mißverständnisse verlängern ihn. Er wird aufhören; er muß am Tag auf-
hören, wo wir Frankreich bewiesen haben, daß Paris, weit davon entfernt,
seinen Willen aufzwingen zu wollen, nur seine Unabhängigkeit, und nicht
diesen oder jenen Mann, sondern nur das große Princip der Gemeindefreiheit
vertheidigen will. Was ist diese Gemeindefreiheit! In welchen Punkten ist
die ganze Bevölkerung von Paris. Bourgeosie und Proletarier einig? Wir
haben sie schon angedeutet, wir geben sie genauer an: Paris wählt seinen
Gemeinderath, der allein das Budget der Stadt regulirt. Die Polizei, das
öffentliche Unterstützungswesen, der Unterricht, die Garantie für die Gewissens-
freiheit hängen allein von ihm ab. Es gibt keine andere Armee in Paris,
als die aus allen tauglichen Bürgern bestehende Nationalgarde. Sie wählt
ihre Chefs und ihren Generalstab nach der vom Gemeinderath angegebenen
Weise, so daß die Militärbehörde immer der Civilbehörde untergeordnet ist.
Paris liefert den auf es fallenden Theil der allgemeinen Ausgaben Frank-
reichs, und im Fall eines nationalen Krieges sein Contingent. Die regel-
mäßige Armee kommt nicht nach Paris, und es wird ihr eine Grenze gesteckt,
die sie nicht überschreiten darf, wie es früher in Rom war, wie es heute in
London ist, und wie es selbst in Paris unter der Verfassung des Jahres III
war. Paris erwählt seine Beamten und seine Richter. Diese legitimen For-
derungen sind im Geiste aller. Trennt sich Paris von Frankreich! Nein! Paris
kann nicht das Werk der großen französischen Revolution vernichten. Es setzt
dasselbe fort. Aber Paris, während zwanzig Jahren noch mehr unterdrückt
als der Rest des Landes, will seine Freiheit wieder erobern, und seine Rechte
bekräftigen. Das, was vorgefallen, ist keine Emeute. Es ist eine Revolution.
Möge die Regierung sich verpflichten, auf jede Verfolgung betreffs der Er-
eignisse vom 18. März zu verzichten; möge man andererseits zur Sicherung
des freien Ausdrucks des allgemeinen Stimmrechtes zur allgemeinen Wieder-
wählung der Commune von Paris schreiten; möge eine große und wichtige
Kundgebung der öffentlichen Meinung dem Kampf ein Ende machen; möge
ganz Paris mit uns unterzeichnen! Heute, wie zur Zeit der Belagerung,
handelt es sich um die Rettung der Republik, um die Rettung Frankreichs.
Wenn die Versailler Regierung diesen legitimen Forderungen gegenüber taub
bleibt, so möge sie wohl wissen, daß ganz Paris sich erheben wird, um sie
zu vertheidigen.“
12. April. Nationalversammlung: Berathung des Gemeindegesetzes: Auf den
Antrag von Leon Say wird für Paris mit 445 gegen 124 Stimmen
beschlossen: die 20 Arrondissements von Paris ernennen jedes 4 Mit-
glieder in den Gemeinderath. Diese 4 Mitglieder werden durch per-
sönliche Abstimmung mit der absoluten Mehrheit und von jedem Viertel
eines gewählt.
12.— 13. „ In Paris nehmen die Insurgenten in heißem Kampfe wieder
den größten Theil von Neuilly bis zur Brücke. Ein Sturm auf die
Stadt ist damit vorerst beseitigt.
13. „ Nationalversammlung: vertagt jede Interpellation bez. Paris auf
einen Monat und macht damit allen Vermittlungsversuchen ein Ende.
Die Delegirten der Pariser „republ. Union“ berichten über den
Erfolg ihrer Mission bei Hrn. Thiers: