Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwölfter Jahrgang. 1871. (12)

11. Rußland. 
6. Januar. Der Kriegsminister legt dem Reichsrath die vom Kaiser ge— 
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nehmigten Grundzüge der Militärreform vor, welche auf der allge— 
meinen Wehrpflicht nach den Bedürfnissen Rußlands beruht. 
„ Die Conferenz der Großmächte behufs Entscheidung über die Be- 
gehren Rußlands bez. des Schwarzen Meeres und des Pariser Friedens- 
vertrages von 1856 tritt in London zusammen. 
„ Ein kais. Rescript befiehlt die Einführung der allg. Wehrpflicht 
für Finnland. 
27. Febr. Austausch von Telegrammen zwischen dem deutschen Kaiser und 
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dem Kaiser Alexander bei Gelegenheit des Abschlusses der Friedens- 
präliminarien zwischen Deutschland und Frankreich (s. unter Deutschland). 
März. Mit diesem Tage hört im ganzen Reiche der letzte Rest der 
Leibeigenschaft auf und ist die Frist, welche bis zur Vollendung der 
Bauern-Emanzipation gesetzt war, abgelaufen. 
Rufßland mit seiner Bevölkerung von 70 Millionen Seelen tritt also in 
dieselbe wirthschaftliche Entwicklung ein, welche sich in den Übrigen Staaten 
Europa's vollzieht. Viele Millionen seiner Einwohner, welche bisher abhängig 
vom Edelmann in einem primitiven kommunistischen Gemeindeleben existirten, 
sind auf eigene Füße gestellt und sollen in freier Arbeit ihren Erwerb suchen. 
Für die Verhältnisse Rußlands nach außen hat die Vollendung der Emanei- 
pation in sofern ein hohes Interesse, als die Einführung der allgemeinen 
Wehrpflicht davon abhängig ist und sich daran knüpft. 
„ Schlußsitzung der Londoner Conferenz und allseitige. Unterzeichnung 
des vereinbarten neuen Vertrags bez. des Schwarzen Meeres. (S. Bei- 
lage.) Rußland hat, was es gewollt, vollständig erreicht. Die Be- 
friedigung darüber ist eine im ganzen Reiche allgemeine. 
„ Die Synode ertheilt dem Pakriarchen in Konstantinopel die Ant- 
wort, daß sie mit dem Widerstreben desselben gegen die Entschließung 
der Pforte, die bulgarische Kirchenfrage durch einen Ferman zu ent- 
scheiden, einverstanden sei. Die Synode hält es jeboch für unnöthig, 
ein Concil einzuberufen, da die Frage nur die Kirche in Konstantinopel 
berühre und ein Concil Mißhelligkeiten hervorrufen würde,