Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 237 
„Das Gesetz III anlangend, so haben Se. königl. Hoheit sich veranlaßt 
gesehen, von der Fortsetzung der Verhandlungen über die bestehende Landes- 
verfassung auf Grundlage der bisherigen Vorlagen abzustehen, indem Aller- 
höchstsie durch den Gang der bereits auf zwei Landtagen gepflogenen Verhand- 
ungen zu der Ueberzeugung geführt worden sind, daß eine Vereinbarung 
über die Verfassungsänderung nur zu erreichen sein wird, wenn eine ein- 
heitliche Vertretung des Landes unter Beseitigung des patri- 
monialen Characters der bestehenden Verfassung hergestellt wird. 
Se. königl. Hoheit erachten es demnach für Ihre landesherrliche Pflicht, den 
demnächst wieder aufzunehmenden Verhandlungen über die Abänderung der 
Verfassung eine dieser Allerhöchst ihrer Ueberzeugung entsprechende Grundlage 
zu geben, und haben zum Zweck der im Interesse des Landes wünschens- 
werthen baldigen Weiterführung der in Frage stehenden wichtigen Ange- 
legenheit die Berufung eines außerordentlichen Landtages in der 
sichern Erwartung in Aussicht genommen, daß die getreuen Stände Sr. königl. 
Hoheit bei der Verfolgung des von Allerhöchstihr nach dem Vorstehenden als 
nothwendig erkannten Zieles der weiteren Verfassungsverhandlung in dem 
ernsten Streben nach allseitiger Verständigung zur Seite stehen werden.“ 
22. Dec. (Baden.) II. Kammer: genehmigt einen Antrag Bluntschli's 
und Gen. auf Revision der Verfassung unter Zustimmung der Regie- 
rung als Resolution mit allen gegen die Stimmen der ultramontanen 
Minderheit. 
Die Resolution lautet: „Die zweite Kammer erklärt: In Erwägung 
1) daß die Neugestaltung des deutschen Reichs die staatliche Existenz des 
Großherzogthums Baden anerkennt und sichert, aber die Competenz desselben 
wesentlich beschränkt, indem es viele staatliche Aufgaben, welche nach der 
frühern Landesverfassung den badischen Behörden oblagen, nun den gemein- 
samen Organen des Reichs vorbehält; 2) daß diese tief eingreifende Umge- 
staltung des aufgehobenen deutschen Bundes der souveränen deutschen Fürsten 
 
 
und freien Städte von 1815 in einen deutschen Gesammtstaat eine umfassende 
Revision der badischen Landesverfassung nöthig macht, damit dieselbe mit der 
Reichsverfassung in Harmonie gebracht und die wünschenswerthen und zeit- 
gemäßen Reformen vollzogen werden; 3) daß insbesondere folgende Institu- 
tionen und Rechtssätze einer neuen Prüfung und Regelung bedürfen: a. der 
Ersatz der Art. 1, 2 und 83, welche sich auf den deutschen Bund beziehen, 
durch neue Bestimmungen, welche die Beziehungen des badischen Landes zum 
deutschen Reich berücksichtigen; b. die Revision der staatsbürgerlichen Rechte 
und Pflichten der Badener, entsprechend der Fortbildung des öffentlichen Rechts; 
c. die Organisation des Landtags und vorzüglich die Frage, ob auch jetzt 
noch das Zweikammersystem beizubehalten oder eher durch eine Versammlung 
zu ersetzen sei, in welcher die berechtigten Interessen, deren Wahrung bisher 
vorzugsweise der ersten Kammer vorbehalten war, Beachtung finden; d. die 
Errichtung einer jährlichen kurzen Versammlung des Landtags und eines 
einjährigen Budgets; e. die Frage der Wahlart, der Integralerneuerung und 
der Amtsdauer der Mitglieder des Landtags; f. das Institut des ständischen 
Ausschusses und die Frage seiner Zuständigkeit; 4) daß es schicklich und 
zweckmäßig ist, die Initiative zu einer umfassenden Revision der Verfassung 
der Staatsregierung anheimzustellen, und daß nur bezüglich der Anordnung 
von jährlichen Versammlungen des Landtags gegenwärtig schon durch die 
Initiative der Kammer ein Fortschritt einzuleiten ist; 5) daß für die Prü- 
fung und Feststellung der Anträge zu einer allgemeinen Verfassungsrevision 
die Bildung einer größeren Revisionscommission, an welcher auch Vertrauens- 
männer der beiden Kammern sich betheiligten, zweckmäßig erscheint: 1) Eine 
umfassende Revision der bestehenden Staatsverfassung vom 22. August 1818
	        
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