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Trankreich.
Versöhnung gewesen wären. Ohne Vorurtheil oder Nachträgerei gegen die
Personen, hid ich es für meine Pflicht, das Princip der Erblichkeit, dessen
Obhut mir anvertraut ist, in seiner Unverletzlichkeit zu erhalten; ohne dieses
Princip — ich kann es immer nur wiederholen — bin ich nichts, und mit
ihm vermag ich alles. Das will man nicht hinlänglich begreifen. Aus
Ihren Anspielungen, Hr. Bischof, darf ich schließen, daß Sie in die erste
Reihe der Opfer, welche Ihnen für die Befriedigung der Wünsche des Landes
unerläßlich scheinen, das Opfer meiner Fahne stellen. Das ist ein Vor-
wand, welchen jene erfanden, die, obgleich fie die Nothwendigkeit der Rückkehr
zur angestammten Monarchie begreifen, doch wenigstens das Sinnbild der
Revolution bewahren wollen. Glauben Sie nur, Frankreich hat trotz seiner
Anwandlung von Schwäche das Gefühl der Ehre in diesem Punkte nicht
verloren; es würde ebenso wenig ein Oberhaupt des Hauses Bourbon, wel-
ches das Banner der Eroberung von Algier verläugnet, als einen Bischof
von Orleans verstehen, der sich bereit fände, in der französischen Academie
neben Zweiflern und Atheisten zu sitzen. Ich habe nicht mit geringerem
Vergnügen als die wahren Freunde des Landes erfahren, daß die Prinzen,
meine Vettern, am 21. Jan. in der Bußkapelle erschienen sind; denn wenn
sie öffentlich beten kamen, in dieses dem Andenken des kiöiglichen Märtyrers
eweihte Monument, mußten sie recht vollständig den Einfluß eines Ortes
säheen, welcher für große Lehren und für edelmüthige Eingebungen so günstig
ist. Ich habe also weder Opfer zu bringen, noch Bedingungen
anzunehmen. Ich erwarte wenig von der Klugheit der Menschen und viel.
von der Gerechtigkeit Gottes. Wenn die Prüfung allzu bitter wird, so belebt
ein Blick auf den Vatican den Muth und stärkt die Hoffnung. In der
Schule dieses erlauchten Gefangenen lernt man Fresielet Entsagung und
Frieden, jenen Frieden, welcher keinem fehlt, der sein Gewissen als Leitstern
und Pius IX. zum Muster nimmt. Seien Sie, Hr. Bischof, von meinen
wohlwollenden Gesinnungen überzeugt. Heinrich."
27. Febr. — 1. März. Nat.-Versammlung: Generaldebatte über die Anträge
der 30er Commission. Castellane erklärt sich für die Einführung
einer constitutionellen Monarchie, der Bonapartist Haetjens für Be-
fragung des allg. Stimmrechts; Dufaure (Justizminister) vertheidigt
einläßlich das Begehren der Regierung bez. constitutioneller Gesetze.
Thiers schweigt, trotz aller Provocationen Seitens der Rechten. Schließ-
lich wird mit 472 gegen 199 Stimmen beschlossen, in die Spezial-
debatte einzutreten.
1. März. Hr. Ozenne geht als Unterhändler nach Rom, um mit Italien
13.
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womöglich einen ähnlichen Handelsvertrag wie mit England und Bel-
gien zu Stande zu bringen, richtet aber hier schließlich nichts aus.
„ Nat.-Versammlung: genehmigt in Schlußabstimmung den ganzen
Entwurf der 30er Commission mit 407 gegen 225 Stimmen. Für
denselben stimmen: die beiden Centren und die gemäßigte Linke, gegen
denselben die äußerste Linke und die legitimistische Rechte. Es scheint,
daß Hr. Thiers endlich seinem Ziele, der Verbindung der beiden Cen-
tren behufs Gründung seiner conservativen Republik, allmälig näher
komme.
„ Nat.-Versammlung: setzt eine Commission nieder behufs Prüfung
der neuen Handelsverträge mit England und Belgien. Die Mehrheit