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Trankreich.
lung wider die Gemeindefreiheit von Lyon, zu der die Regiecung des
Hrn. Thiers ihre Zustimmung gegeben hat.
9. April. Ein Rundschreiben des Ministers des Innern an die Präfecten
28.
*
empfiehlt denselben, sich jeder Einmischung in die Wahlkämpfe zu ent-
halten. Die Wählerversammlungen sind in den nicht im Belagerungs-
zustand befindlichen Departements, was freilich noch für die Hälfte
aller Departements der Fall ist, freigegeben. In Lyon will vorerst
Niemand die Stellen der neugeschaffenen Bezirks-Maires annehmen.
„ Der Wahlkampf in Paris zwischen dem Minister de Remusat und
dem gew. Lyoner Maire Barodet gestaltet sich zu einem Entscheidungs-
kampf zwischen der conservativen Republik des Hrn. Thiers und dem
Radicalismus. Beide Candidaten erlassen ihre Wahlmanifeste, Remusat
erklärt sich darin für die „Unverletzlichkeit des allg. Stimmrechts“.
Gambetta erklärt sich für Barodet, Grevy für Remusat. Die Con-
servativen aller Schattirungen (die Legitimisten inbegriffen) stellen den
republikanischen Candidaten den bonapartistischen Obersten Stoffel als
ihren Candidaten entgegen; derselbe hat indeß in Paris von vorn-
herein keinerlei Aussicht gewählt zu werden. Der Wahlkampf ist ein
äußerst intensiver: an einem einzigen Tage finden in Paris 14 Wähler-
versammlungen von je 800— 1000 Wählern statt.
„ Ausgang des Wahlkampfes in Paris: Remusat und die conser-
vative Republik des Hrn. Thiers unterliegen. Barodet wird mit
180,146 Stimmen gewählt; Remusat unterliegt mit 135,467, der
Candidat der vereinigten Conservativen Stoffel erhält nur 27,088.
Die gleichzeitigen Wahlen in andern Theilen Frankreichs ergeben 7
(meist radicale) Republikaner und 1 Legitimisten. Die Blätter der
republikanischen Linken erklären übereinstimmend, daß der Kampf keines-
wegs Hrn. Thiers, sondern nur der reactionären Versailler Majorität
gegolten habe. Hr. Thiers sieht aber trotzdem in dem Resultat der
Wahl eine schwere Niederlage seiner Politik und selbst in den Reihen
der Radicalen fängt die Einsicht an aufzudämmern, daß die Wahl
Barodets gegen Remusat ein verhängnißvoller Mißgriff gewesen sein
könnte. Die monarchisch gesinnten Conservativen beuten ihn nach
Kräften aus und triumphiren gegenüber Hrn. Thiers.
Seit dem 2. Juli 1871 haben im Ganzen in 62 Departements 144 Er-
gänzungswahlen zur Nat.-Versammlung stattgefunden und von diesen fielen
15 tauf Republikaner, nur 29 auf Anhänger der monarchisch-clericalen
eaction.
„ Die Blätter veröffentlichen das Testament Napleon's III. Das-
selbe lautet:
„Dieses ist mein Testament. Ich empfehle meinen Sohn und meine Frau
den großen Staatskörpern, dem Volk und der Armee. Die Kaiserin Eugenie
besitzt alle nothwendigen Eigenschaften, um die Regentschaft gut zu führen,
und mein Sohn zeigt Anlagen und eine Urtheilsfähigkeit, welche ihn seiner
hohen Geschicke würdig machen werden. Möge er nie den Wahlspruch des
Oberhauptes unserer Familie vergessen: „Alles für das französische Volk“;