Trankreich. 305
Mrööge er sich mit den Schriften des Gefangenen von St. Helena durchdringen,
die Handlungen und die Correspondenz des Kaisers studiren, und wenn es
die Umstände gestatten werden, sich erinnern, daß die Sache der Völker die
Sache Frankreichs ist. Die Gewalt ist eine schwere Last, weil man nicht
immer all das Gute vollbringen kann, was man möchte, und weil die Zeit-
genossen Einem selten Gerechtigkeit widerfahren lassen. Deshalb muß man
auch, um seine Mission zu erfüllen, den Glauben und das Bewußtsein seiner
Pflicht in sich tragen. Man muß daran denken, daß vom Himmel herab
die, welche ihr geliebt habt, auf euch blicken und euch beschützen; es ist die
Seele meines großen Onkels, welche mich immer inspirirt und aufrecht er-
halten hat. So wird es auch mit meinem Sohne sein, denn er wird immer
seines Namens würdig bleiben. Ich hinterlasse der Kaiserin Eugenie meinen
ganzen Privatbesitz. Ich wünsche, daß sie nach der Volljährigkeit meines
Sohnes das Elysée und Biarritz bewohne. Ich hoffe, daß mein Andenken
ihr theuer sein und daß sie nach meinem Tode allen Kummer vergessen werde,
den ich ihr habe verursachen können. Was meinen Sohn betrifft, so möge
er als Talisman das Petschaft bewahren, welches ich an meiner Uhr trug
und welches von meiner Mutter kommt; daß er mit Sorgfalt Alles bewahre,
was mir von dem Kaiser, meinem Onkel, kommt, und daß er überzeugt sein
möge, daß mein Herz und meine Seele mit ihm bleiben. Ich spreche nicht
von meinen treuen Dienern; ich bin überzeugt, daß die Kaiserin und mein
Sohn sie nie verlassen werden. Ich werde in der römisch-katholischen und
apostolischen Religion sterben, welche mein Sohn immer durch seine Fröm-
migkeit ehren wird. Gez.: Napoleon. Vollzogen, geschrieben und untereichnet
mit eigener Hand im Palast der Tuilerieen am 24. April 1865. Gez.:
apoleon.“
30. April. Von den Kriegsgerichten gegen die Communards sind nur noch
3 oder 4 in Thätigkeit; es sind immerhin noch ca. 2500 Proceß-
actenfascikel zu erledigen übrig.
1. Mai. Für den ganzen Monat Mai ist von den Clericalen eine lange
Reihe von Demonstrations-Wallfahrten angeordnet, die auf verschiedenen
Punkten des Landes in Scene gesetzt werden sollen.
2. „ Der Ministerrath beräth über die der Nat.-Versammlung zu unter-
breitenden constitutionellen Gesetzvorlagen. Gleichzeitig berathen die
conservativen Fractionen über einen entscheidenden Schritt gegen Hrn.
Thiers, wozu es ihnen nunmehr an der Zeit zu sein scheint. Die
conservativen Blätter verlangen von Hrn. Thiers die Entlassung des
radicalen Unterrichtsministers Jules Simon, die republikanischen die-
jenige des conservativen Ministers des Innern de Goulard.
3. „ Die conservative Mehrheit der Permanenzcommission der National-
Versammlung tritt nach der Commissionssitzung zusammen und gibt
dem Verlangen Ausdruck, daß der Präsident der Republik zur Be-
seitigung der in der augenblicklichen Situation liegenden Gefahren das
Cabinet in conservativem Sinne modifiziren möge. Thiers lehnt es
ab. Der Temps veröffentlicht eine Zuschrift Casimir Perier's (rechter
Flügel des linken Centrums), welche dahin geht, daß die conservativen
Republikaner zur Klärung der Lage im Gegentheil entschlossen sind,
im Verein mit der gemäßigten Linken die definitive Proclamirung der
Republik zu fordern.
20