Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 75
erkennung des Dogmas abgestimmt und dasselbe fast einstimmig ver-
worfen, da sich die Ultramontanen der Abstimmung enthalten. Die
Gemeinde Constanz, der Gemeinderath an der Spitze, erklärt sich damit
für den Altkatholizismus. Im ganzen badischen Seekreis macht sich
eine starke Partei für altkatholische Tendenzen geltend und diese hat
nunmehr in Constanz einen kräftigen Anhalt gefunden.
10. Febr. (Sachsen.) I. u. II. Kammer: nehmen die von den Vereini-
gungsdeputationen vorgeschlagenen Compromisse bez. der Reformgesetze
an, jene einstimmig, diese gegen eine Minderheit von 23 Stimmen.
Die große Reform der gesammten innern Verwaltung Sachsens ist
damit endgültig zu Stande gebracht.
11. „ (Preußen.) Von der Kreuzzeitung angeregt, macht sich unter der
orthodoxen evang. Geistlichkeit eine ziemlich lebhafte Opposition gegen die
kirchenpolitischen Gesetze bemerklich. Inzwischen wankt der politische
Boden den Conservativen unter den Füßen: in Stralsund wird statt
des bisherigen gemäßigt conservativen Abgeordneten ein Nat.-Liberaler
mit 160 gegen 90 Stimmen in's Abg.-Haus gewählt.
„ (Elsaß-Lothringen.) Den in den Reichslanden wohnhaft ge-
bliebenen Optanten für Frankreich wird mittelst besonderer Schreiben
der Polizeibehörden mitgetheilt, daß ihre Option als null und nichtig
betrachtet werde und daß sie nunmehr deutsche Reichsbürger seien.
12. „ (Preußen.) Der Handelsminister, Graf Itzenplitz, gibt seine
Demission ein, die aber vorerst noch nicht angenommen wird.
„ (Hamburg.) Die erste Kammer des Hamburger Handelsgerichts
verurtheilt die preußische Regierung zu Herausgabe der von ihr s. Z.
mit Beschlag belegten Waffen, welche 1863 durch eine freiwillige
schleswig-holsteinische Anleihe angekauft und bei einem Hamburger
Kaufmann deponirt worden waren.
„ (Sachsen.) I. und II. Kammer: können sich über die Vorlage
der Regierung bez. Errichtung eines evang.-lutherischen Landesconsi-
storiums nicht einigen. Die Regierung zieht den dafür vorgelegten
Etat zurück.
„ (Braunschweig.) Landesversammlung: erhöht die Civilliste des
Herzogs um 30,000 Thlr., obgleich dafür bei dem immensen Privat-
vermögen desselben ein eigentliches Bedürfniß nicht vorliegt.
14. (Preußen.) Die Regierung will die in Folge der Enthüllungen Las-
ker's unausweichlich gewordene einläßliche Untersuchung des bisherigen
Eisenbahnconcessionswesens wenigstens in ihrer Hand behalten.
Der Kaiser richtet daher eine Botschaft an den Landtag mit der Mit-
theilung, daß er — im Gegensatze gegen den Antrag Lasker, mit dieser Unter-
suchung eine Commission von 7 Mitgliedern (selbstverständlich des Abgeord-
netenhauses) zu betrauen und die Staatsregierung zur Mitwirkung dabei
einzuladen — die Niedersetzung einer kgl. Commission beschlossen habe, die
aus 2 Justiz-, 2 Verwaltungsbeamten und je 2 Mitgliedern jedes Hauses