Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Das deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Ang. 4—5. 223 
sind denn andere Völker fehlerfrei? Eine Judenhetze à la Henrici kann ich 
und werde ich niemals billigen.“ (Stürmischer Beifall und lebhafte Un- 
ruhe.) Die Ankisemiten scandaliren; aber trohdem wird eine Resolution 
angenommen, in der Professor Wagner als conservativer Candidat für den 
4. Wahlkreis auerkannt wird. Gleichzeirig wird aber vom sozialen Reichs- 
verein I)#r. Henrici zum Reichstagscandidaten aufgestellt. Heurici führt 
in seiner Rede u. A. Folgendes aus: Das Volk will kein Cliquenwesen, 
keine Ringe, wie die bestehenden Parteien sie bilden. Denn weder hinter 
fortschritllich noch hinter „conservativ“ steckt etwas Vernünftiges, sonst 
wäre es doch nicht denkbar, daß Niemand im Parlament die Indenfrage 
angeregt hat. Der einzig hervorragende Antisemit aber sihzt bei den Juden 
so tief in der Kreide, daß er nichts zu sagen wagt. So einen Geheimralh 
überläuft eine Gänsehaut, wenn er nur von Aulisemilen hört. Die in 
Berlin aufgestellten conservativen geheimräthlichen Candidaten würden die 
dickste Reaction bringen.“ Ihm selbst habe man elwas geboten, wenn er 
überginge! (Rufe: Namen!) Wenn es darauf ankomme, werde er sie schon 
neunen; er verlange Staatshilse in Bezug aus Credit und össentliche Arbeiten, 
ferner eine Neform des Geld= und Bankwesens, ferner eine gesebliche 
Lösung der Judenfrage. „Mit diesem Programm würden auch die Sozial- 
demokraten zufrieden sein und dann würden wir mit ihnen pactiren. Wir 
hoffen, daß sie mit uns an die Wahlurne treten!“ Aus der Versammlung 
wird Henrici vorgeworfen, derselbe habe hintereinander conservative, fort- 
schrittliche und sozialdemokratische Reden gehalten. Wenn die Antisemiten 
etwas erreichen wollten, müßten sie mit den „Conservativen“ gehen. Darauf 
entgegnet Henrici: „Mit den conservativen Leuten, die in Berlin ihr Un- 
wesen treiben, gehe ich nicht zusammen, lieber will ich in Ehren fallen. 
Das conservative Central-Wahlcomité ist ein Popanz. Wir wollen Leute, 
die Bismarck in's Gesicht sagen, daß die Wirthschaft mit Bleichröder auf- 
hören muß. Das thnut kein Conservativer." 
4. August. (Deutsches Reich.) Der Kaiser empfängt im 
Bade Gastein den Besuch des österreichischen Kaifers Franz Jofeph. 
4. August. (Preußen.) In Hinterpommern und zwar in 
den Städten Rublitz, Schiervelbein, Pierlburg und Konitz finden wei- 
tere Judencrawalle statt, wobei Wohnungen und Läden zerstört 
werden. Selbst der „Krzztg.“ wird aus Falkenburg geschrieben: 
Die Judenkrawalle drohen in Hinterpommern epidemisch zu werden. 
Wie Kreiswellen, deren Mittelpunct Neustettin ist, greifen sie immer 
weiter von Stadt zu Stadt um sich. 
5. August. (Baden.) Der Erzbisthumsverweser von Frei- 
burg, Lothar Kübel, f. 
Ergbisthumsverweser und Weihbischof Kübel leitele seit dem am 
14. April 1868 erfolgten Tode des Erzbischofs v. Vicari das Bisthum Frei- 
burg und übte seit dem Jahre 1869 zufolge Ermächtigung der römischen 
Curie die Regierung der aus den Bisthümern Freiburg, Mainz, Fulda, 
Nottenburg und Limburg gebildeten oberrheinische Kirchenprovinz, des Erg- 
bisthums Freiburg aus. Jetzt fragt es sich, ob das seit 13 Jahren be- 
standene Provisorium zum Abschluß helangen, die katholische Kirche des 
Großherzogthums Baden und Hohengollerns definitiv einen Bischof, die Frei- 
burger Erzdiöcese definitiv einen Erzbischof erhalten werde. Nach den zu
	        
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