Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

144 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober Anf.) 
Königshaus den ersten Schritt zum Neuerstehen unseres geeinten Vaterlandes 
tat, so haben Ew. Königliche Hoheit das Beispiel für Deutschlands Fürsten 
gegeben, und haben als Erster Mir Ihren Rat und Ihre Freundschaft in 
kräftigem Handschlag dargeboten. 
Mit dem innigsten Dank für diese wahre Freundestat verbinde Ich 
den Dank, der aus vollem Herzen kommt, unter dem überwältigenden Ein- 
druck des großartigen Empfanges Ihres Hauses und Ihres Volkes. 
Ich ergreife gern diese Gelegenheit, um Ew. Königlichen Hoheit Meine 
Gefühle wärmster und herzlichster Freundschaft auszudrücken und zu ver- 
sprechen, daß Ich in Hohenzollernscher Treue mit dem Hause Wittelsbach 
und dem braven Bayernvolke in engstem Bunde zusammenstehen werde, in 
guten wie in bösen Tagen. Denn es erheischen die hohen Aufgaben unseres 
großen deutschen Volkes und Vaterlandes, daß alle Kräfte zu dessen gemein- 
samen Nutzen und Heile eingesetzt werden, welches nur dann möglich ist, 
wenn die Fürsten des Reichs in fester Gemeinschaft Schulter an Schulter 
vertrauensvoll beieinander stehen. 
Ich erhebe Mein Glas mit dem Wunsche, daß es Gott gefallen möge, 
Ew. Königliche Hoheit noch lange zum Heile Bayerns und unseres deutschen 
Vaterlandes zu erhalten. Se. Königliche Hoheit der Prinz-Regent lebe hoch 
— hoch — hoch!“ 
Anfang Oktober. (Kaiser Wilhelm am Wiener Hofe.) 
Am 3. Oktober: Ankunft. 
Am 4. Oktober: Galadiner. Bei diesem brachte Kaiser Franz 
Josef folgenden Trinkspruch auf Kaiser Wilhelm aus: 
„Ich gebe Meiner innigen Freude und Meinem Danke Ausdruck, daß 
es Mir gegönnt ist, Se. Majestät den Kaiser Wilhelm in Unserer Mitte zu 
begrüßen. Mit den Gefühlen jener herzlichen, treuen, unauflöslichen Freund- 
schaft und Bundesgenossenschaft, welche Uns zum Besten Unserer Völker ver- 
eint, trinke Ich auf das Wohl Unseres Kaiserlichen Gastes. Der Allmächtige 
geleite Ihn auf der Bahn, die Er mit jugendlicher Kraft und männlicher 
Weisheit und Entschiedenheit betreten. Se. Majestät der deutsche Kaiser und 
König von Preußen, Ihre Majestät die Kaiserin und Königin und das 
Königliche Haus leben hoch!" 
Kaiser Wilhelm erwiderte: 
„Ew. Kaiserlichen Königlichen Majestät spreche Ich für die huldvollen 
Worte aus gerührtem Herzen Meinen innigsten Dank aus und freue Mich 
besonders, dies an Ew. Majestät Namenstag tun zu können. Nicht als 
Fremder bin Ich hierher gekommen, sondern schon seit Jahren durch Ew. 
Majestät Güte ausgezeichnet, führe Ich ein heiliges Vermächtnis Meines in 
Gott ruhenden Großvaters aus. In dem Gefühle bewährter, unverbrüch- 
licher Freundschaft erhebe Ich Mein Glas und trinke auf das Wohl Meines 
hochverehrten Bundesgenossen, Sr. Majestät des Kaisers von Österreich und 
Königs von Ungarn, Ihrer Majestät der Kaiserin und des gesamten Kaiser- 
lichen Königlichen Hauses!“ 
Alle anwesenden höchsten und hohen Herrschaften hatten die Toaste 
stehend angehört und nahmen nun wieder ihre Plätze ein, erhoben sich jedoch 
sofort auf´s neue, als der Kaiser Franz Joseph nochmals das Glas ergriff 
und sprach: 
„Gestatten Mir Ew. Majestät, daß Ich das Glas erhebe auf Ew. 
Majestät Armee und auf das leuchtendste Muster aller militärischen Tugenden 
ein Hoch ausbringe. Unsere preußischen und deutschen Kameraden, sie leben 
hoch, hoch hoch!“
	        
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