Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (April 17.—18.) 245
weinsteuer-Vorlage lege, daß er hoffe, die Polen werden die Regierung nicht
im Stiche lassen, und daß von dem Schicksal der Spiritus-Vorlage auch
der Bestand des Kabinets abhängig sei. Die Rückwirkung dieses Gespräches
zeigt sich dann bereits in der nächsten Beratung des Polen-Klubs. Die
polnischen Abgeordneten verzichten auf jede Opposition und lassen alle An-
träge fallen, welche auf eine fundamentale Änderung des Gesetzes hinzielten.
Der Steuersatz von 35 und 45 fl. wird akzeptiert, und bezüglich
der Kontingentsfrage beschränkt man sich auf eine bloße Resolution.
17. April. (Österreich: Abgeordnetenhaus.) General-
Debatte über den Etat.
Abg. Gregr (jungtschech.) wendet sich gegen das Taafesche System
im allgemeinen und gegen die Hindernisse, welche die autonomen Bestre-
bungen der Tschechen von seiten der Regierung finden. Ungeachtet der in
der Thronrede von 1879 versprochenen Achtung der tschechischen Rechts-
anschauungen sei das Oktober-Diplom noch nicht hergestellt, das Reskript
vom Jahre 1871 an den böhmischen Landtag nicht zur Wahrheit gemacht,
die Krönung des Kaisers zum König von Böhmen noch nicht veranlaßt
worden. Österreich sei schlimmer als ein absolutistischer Staat, es sei ein
Staat der ministeriell-bureaukratischen Willkür unter dem Deckmantel kon-
stitutioneller Einrichtungen. Die Tschechen würden an dem tschechischen Staats-
rechte festhalten, und wenn die Thronrede von 1879 ihnen versprochen habe,
daß durch die Beschickung des Reichsrats ihre (der Tschechen) Rechtsüberzeu-
gung keinen Schaden nehmen solle, so habe sie damit auch ihr (der Tschechen)
Staatsrecht anerkannt, denn dieses Staatsrecht sei ihre Rechtsüberzeugung.
Abg. Weber (alttschech.-ultramont.) bespricht den Schulerlaß des
Unterrichtsministers äußerst abfällig und schließt mit einem heftigen Angriff
gegen Min. von Gautsch. Er würde diesem Ministerium nicht sehr heiße
Tränen nachweinen, obwohl es heiße, daß es ihnen freundlich sei. Der
Redner schließt: Ceterum censeo Gautschiadam esse delendam.
Abg. Menger (deutsch-österr.). Die Linke werde die Opposition gegen
die Branntweinsteuer festhalten, auch nachdem sie von den Polen aufgegeben
sei. Zwar sei auch die Linke nicht dagegen, dem Staat aus dem Brannt-
wein eine beträchtliche Einnahme zu schaffen, aber die Steuer solle dem
Staate zugute kommen, nicht den Branntweinbrennern. Auch müsse man die
österreichischen und die ungarischen Finanzen dabei streng auseinanderhalten.
18. April. Fortsetzung der General-Debatte über das Budget.
Finanzminister v. Dunajewski sucht die Einwände gegen die Finanz-
politik der Regierung zu entkräften. Die abfällige Beurteilung des Standes
der Finanzen sei eine unbegründete. Der etatmäßige Abgang nach den
Finanzgesetzen vom Jahre 1872—1879 habe 214 Millionen betragen, also
im Durchschnitte per Jahr 26 Millionen; in der Periode 1881—1886/87
betrug der etatmäßige Abgang 180 Millionen, d. h. im Durchschnitte per
Jahr 30 Millionen. Der faktische Abgang stelle sich auf Grund der Zentral-
Rechnungsabschlüsse von 1872 bis 1879 auf 279 Millionen, im Durch-
schnitte also auf 34 Millionen. In der Periode 1881 —1886 war ein fak-
tischer Gesamtabgang von 119 Millionen, im Durchschnitte per Jahr 19
Millionen. Während also in der ersten Periode der faktische Abgang gegen-
über dem Präliminare größer war um 8 Millionen, sei er in der zweiten
Periode um 15 Millionen kleiner. Auch von wirtschaftlichem Niedergange
lasse sich nicht sprechen. Die selbständigen Gewerbebetriebe, die sich zur Er-
werbsteuer gemeldet hätten, seien in den Jahren 1881—1887 in den im
Reichsrat vertretenen königlichen Ländern von 713.000 auf 773.000 gestiegen.