Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

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Aktenstückes sein, das Kaiser Friedrich selbst noch auf lange Jahre 
in den Tiefen der Archive sichergestellt haben würde Der Verdacht 
erhob sich, daß hier eine große Intrigue zu Grunde liege, daß etwa 
noch mehr Enthüllungen mit noch direkterem Bezug auf die Gegen- 
wart nachfolgen könnten. Schon begann die oppositionelle Presse 
durch tendenziöse Ausnützung, künstliche Identifizierung heutiger und 
vergangener Erscheinungen die Unterstellung, als ob Kaiser Fried- 
rich ihre Anschauungen geteilt habe, aus dem „Tagebuch“ scheinbar 
zu belegen. Mit einem Schlage wollte der Kanzler das Netz aller 
dieser Machenschaften zerreißen. In einem „Immediatbericht“ an 
den Kaiser forderte er die strafrechtliche Verfolgung des noch unbe- 
kannten Einsenders. Ueber dieses unselige Aktenstück bleibt dem 
deutschen Patrioten nichts übrig als das Haupt zu verhüllen und 
zu schweigen. Der Erfolg der Untersuchung war, daß Geffcken als 
der Einsender des Tagebuchs bekannt wurde, daß er sich das Ma- 
nuskript durch einen unerhörten Vertrauensbruch verschafft und auf 
eigene Hand ohne jeden Zusammenhang mit irgend einer Partei 
oder auch nur im Dienste irgend einer besonderen politischen Ten- 
denz veröffentlicht hatte. 
Von ganz entgegengesetzten unglücklichen und glücklichen Er= Kolo- 
eignissen und Wandlungen ist die deutsche Kolonialpolitik betroffen eal 
worden. Die am 26. Februar 1887 gegründete „Deutsch-Ostafri- 
kanische Gesellschaft“ hatte Dr. Peters nach Zanzibar gesandt und 
durch diesen einen Vertrag mit dem Sultan schließen lassen, der der 
Gesellschaft auf 50 Jahre die Verwaltung der gesamten Küste, speziell 
der Zölle gegen eine Abfindung überließ. Da die Berliner Leitung 
in einem wesentlichen Punkt den Vertrag nicht ratifizierte, so wurde 
er durch den Nachfolger des Dr. Peters, Vohsen, umgearbeitet und 
am 28. April 1888 definitiv unterzeichnet. (Vgl. S. 412.) Die 
Hoffnung, daß sich auf Grund dieser Rechtsverhältnisse nun schnell 
in dem riesigen Gebiet ein deutsches Kolonialleben entwickeln werde, 
wurde plötzlich bitter enttäuscht. Die Herstellung einer geordneten 
europäischen Verwaltung an der ostafrikanischen Küste bedrohte die 
Interessen der mächtigsten Einwohner-Gruppe dieser Sphäre, der 
Araber, die sich von Sklavenhandel und Sklavenjagden im Inneren 
mästen. Da nun die deutschen Beamten nicht mit der genügenden
	        
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