Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
Anf. Januar. (Prinz Wilhelm und die Berliner Stadt— 
mission.) Die Hof- und Domprediger richten an den Prinzen 
zum Jahreswechsel ein Glückwunschschreiben. Darin heißt es: 
„Wenn Sie es in den letzten Wochen des alten Jahres erfahren 
haben, daß auch das lautere Eintreten für die Arbeit des Reiches Gottes 
nicht ohne Widerspruch bleibt (vgl. Gesch.-Kal. 1887 XII. 24), so sei das 
Wort des Herrn Ihr Licht: „Wer mich bekennet vor den Menschen, den 
will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater.“ 
In dem hierauf erteilten Antwortschreiben sagt der Prinz: 
„Die von Ihnen erwähnten Mißdeutungen, welche mein Eintreten 
für das Wohl der geistig und körperlich Notleidenden vielfach hervorgerufen 
hat, haben mich schmerzlich berührt, sie werden mich aber nicht abhalten, 
dem Vorbilde unseres erhabenen Kaisers und meines teuren Vaters folgend, 
unbeirrt von politischen Parteibestrebungen, stets zur Hebung des Wohles 
aller Notleidenden nach Kräften beizutragen. 
Dieser Briefwechsel gibt der Presse aufs neue Anlaß zu viel- 
fachen Erörterungen, besonders bemächtigt sich die klerikal-konser- 
vative Presse der Angelegenheit. Die „Post“ wendet sich darauf 
am 14. Januar aufs neue in scharfer Sprache gegen dieselbe. Sie 
sagt darin u. a.: 
Die klerikal-konservative Partei wolle die Verwahrung der „Post“ 
gegen das Herandrängen an den Prinzen Wilhelm seitens einer Partei, deren 
Vorherrschen in der Geschichte Preußens mit dem Rückgange am Ende des 
vorigen Jahrhunderts und mit der Zeit von Olmütz zusammentreffe, als 
Angriff auf das Christentum und den Prinzen bezeichnen. Sehr entschieden 
tadelt die „Post“ unter dem Ausdrucke der Sympathie mit den auf Hebung 
der Religiosität gerichteten Bestrebungen die von Stöcker geplante Vertrauens- 
Adresse an den Prinzen Wilhelm. Der Gedanke einer Vertrauens-Adresse 
an den künftigen Thronerben widerstrebe dem monarchischen Gefühle. Derlei 
Demonstrationen seien gerade jetzt um so unangebrachter, zumal wenn sie 
von einer Seite ausgingen, welche ohnehin der Vorwurf treffe, den Prinzen 
Europ. Geschichtskalender. XXIX. Bd. 1
	        
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