Bes beutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 3.—6.) 19
3. daß der Uebergang der Hoheitsrechte in dem innerhalb der deut-
schen Zone liegenden Küstenstriche auf das Deutsche Reich angestrebt werde;
4. daß die Umwandlung der Truppe des Reichskommissars Wißmann
in eine Kaiserlich deutsche Truppe zu bewirken sei;
5. daß die Schaffung einer über dem Reichskommissar und den sonst
beteiligten deutschen Behörden und Korporationen stehenden Zentralstelle
mit dem Sitz auf dem Festlande ins Auge zu fassen und
6. daß die Uebernahme der Verwaltung des Küstenstriches und des
Schutzgebietes in die unmittelbare Reichsverwaltung zu betreiben sei.
Nach diesen Allerhöchsten Direktiven nun — ich wiederhole, sie sind
unter dem 2. Mai v. J. gegeben worden — ist die deutsche Regierung vor-
gegangen, nicht einen Schritt davon sind wir abgegangen, und noch heute
steht die Kolonialregierung auf dem Boden dieser Direktive. Es war not-
wendig, daß solche Direktive gegeben wurde und daß man sich klar wurde,
was denn eigentlich geschehen sollte; denn dieser Zustand, in dem wir lebten,
war eben unerträglich; wir mußten heraus aus ihm, und das war eine der
wesentlichsten Schwierigkeiten, die uns beim Abschluß des Vertrages mit
England entgegentraten. England hatte Zeit und war nicht begehrlich. Ge-
sättigt von reichen Kolonien, spielte etwas mehr Witu oder Sansibar für
England nicht die Rolle wie für uns, wo ja durch die Teilnahme der Nation
an diesen Dingen die Kolonien für uns einen idealen Wert gewonnen hatten,
von dem in England keine Rede war.
Eine weitere Erschwerung der Verhältnisse bei den Verhandlungen
lag darin, daß man mit Dingen zu thun hatte, die geographisch und recht-
lich zum großen Teil nicht definierbar waren. Es handelte sich um ganz
unbekannte und unbenannte Größen. Es kam hinzu, daß England dem
Sultan von Sansibar gegenüber die stärkere Stellung einnahm. England
ist dort seit Anfang des Jahrhunderts thätig gewesen, und wenn ich gern
anerkenne, daß die deutschen politischen Agenten, welche in Sansibar thätig
waren, es dort bis zu einem gewissen Grade von Einfluß gebracht hatten,
so war der Engländer doch der Stärkere dem Deutschen gegenüber. Das
deutsche Element auf der Insel und in der Stadt Sansibar hatte zugenommen,
ein starker Zulauf von zum Teil fragwürdigen deutschen Elementen hatte
stattgefunden, und dies Vorhandensein der Deutschen war den Verhandlungen
und unserem Verhältnis zum Sultan schon seit langem nicht mehr förder-
lich gewesen. Die Deutschen waren mehr laut als einflußreich dort. So
traten wir unter nicht leichten Verhältnissen in Unterhandlungen mit Eng-
land ein. Ich werde nachher darauf zurückkommen, was wir damals erreicht
haben. Ich bin noch heute der Ueberzeugung, die ich beim Abschluß der
Verhandlungen hatte, daß, wenn wir von dem Werte von Helgoland ab-
sehen und von der Frage, inwieweit sich unser Verhältnis zu England dadurch
gebessert hat, der Vertrag für uns vorteilhaft war. (Sehr richtig! links.)
Ich will mir nun erlauben, die wesentlichsten Vorwürfe, die dagegen
erhoben worden sind, durchzugehen. Eine Menge Kleinigkeiten fasse ich unter
einen Vorwurf zusammen: Ihr habt nicht genug gekriegt; und in der deut-
schen Presse ging man so weit, zu sagen, der brave deutsche Michel hätte
sich von dem perfiden Albion übers Ohr hauen lassen und wäre nur mit
einem kleinen Stück der Beute nach Hause gekommen. Ein fremder Staats-
mann soll die Aeußerung während der Verhandlung gethan haben: „Gott,
wenn man nur Deutschland ganz Afrika geben könntel!“ In dem Ausspruch
liegt die Anerkennung, daß die Sache doch irgendwo eine Grenze haben
müßte. Man hatte die Theorie des Hinterlandes erfunden und war in deren
Anwendung nicht sparsam gewesen. Nun mußte sich die Kolonialregierung
aber doch die Frage vorlegen: was können wir auf die Dauer halten?! wie
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