Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenter Jahrgang. 1891. (32)

Vas denische Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 3.—6.) 21 
will sie nicht, der dritte will nicht gestehen, daß er dort schlechte Geschäfte 
gemacht hat. Und schließlich haben wir Briefe von Missionaren, die sich 
oft mit ihren Taufkindern identifizieren und den engen Kreis, in dem sie 
wirken, auch für maßgebend für weitere Verhältnisse halten. 
Ich bin also der Meinung, daß, wenn die Kolonialregierung auf dies 
Land Witu an sich keinen großen Wert legte, bisher das Gegenteil, daß sie 
Unrecht gehabt hat, nicht erwiesen ist. 
Der Wert von Witu verringerte sich umsomehr, als es im Laufe der 
Verhandlungen zweifellos wurde, daß wir die beiden Inseln Manda und 
Patta, die dem Witulande vorliegen, nicht bekommen konnten. Sie stehen 
in demselben Verhältnis wie die dritte, Lamu; das war schon durch ein 
Schiedsgericht dem Sultan von Sansibar zugesprochen; dasselbe hätte uns 
hier passieren können. Nun würde ich aus meinem alten Interesse für die 
Marine es gewünscht haben, diese Inseln, Manda und Patta, bekommen zu 
können, weil hinter ihnen ein verhältnismäßig brauchbarer Hafen war. Die 
Verhältnisse lagen aber so, daß die Rechtsverständigen, die wir darüber 
hörten, der Meinung waren, kein Schiedsgericht könne uns Manda und Patta 
zusprechen. Ohne Manda und Patta aber war dies ganze Wituland für 
uns ziemlich wertlos; denn das beste an ihm war eben nach meiner Ansicht 
der Hafen; bekamen wir den Hafen nicht, so war auch das Hinterland nichts 
nütze. Nun war die Witugesellschaft im Begriff, sich aufzulösen und sich 
an die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft zu verkaufen, und zwar mit der 
ausgesprochenen Absicht, dadurch ein Kompensationsobjekt zu schaffen. Diese 
Absicht hatte die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft acceptiert auf Instanz 
der Regierung; der damalige Staatssekretär des Auswärtigen Amts hatte 
der Gesellschaft eröffnen lassen, daß das Auswärtige Amt gegen den Erwerb 
des Witulandes durch die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft nichts einzu- 
wenden hätte, aber nur unter der Voraussetzung, daß dieser Erwerb zu Kom- 
pensationszwecken erfolge. Also schon damals, schon ehe wir in den Vertrag 
eintraten, stand fest: Witu soll zum Kompensationsobjekt gemacht werden. 
Nun hat Witu, nachdem es an England abgetreten war, noch ehe 
die Abtretung ganz perfekt war, das Interesse des Publikums von neuem 
dadurch erregt, daß Deutsche, die eine Unternehmung dahin gerichtet hatten, 
zu Schaden gekommen sind: es war das zu beklagen. Ich will auf die 
Einzelheiten hier nicht eingehen und mich auf die Bemerkung beschränken, 
daß, auch wenn Witu um die Zeit noch deutsch gewesen wäre, nach den mir 
bekannten Personalien des Mannes, an dessen Namen sich diese Expedition 
anknüpft, ich nicht den mindesten Zweifel daran habe, daß eine Ausschrei- 
tung gegen den Sultan von Witn, die zu diesen Feindseligkeiten führte, 
gerade so gut unter deutschem Protektorat möglich war wie unter englischem. 
Die Engländer schritten nun ein und haben ein Landungskorps von 900 
Mann etwa drei Tagemärsche in das Innere geschickt, um Witu nieder- 
brennen zu lassen. Wenn wir nun in der Lage gewesen wären, um der 
Ausschreitung eines Deutschen willen eine solche Expedition in Szene zu 
setzen, so würden wir materielle Mittel haben aufbieten müssen, die etwa 
denselben Umfang angenommen hätten, wie die Schiffskonzentration um 
Sansibar im Jahre 1885. Die Engländer halten vermöge der großen Zahl 
ihrer Schiffe auf einer einzelnen ihrer zahlreichen Stationen, die von meh- 
reren Flüssen geteilt sind, ungefähr so viel Schiffe, als wir überhaupt im 
ganzen Kreuzer in der Welt im Dienst haben. Die Folge wäre die gewesen, 
daß, wenn wir ein Landungskorps von 900 Mann hätten zusammenbringen 
müssen, wir sieben, vielleicht auch acht Kreuzer hätten zusammenziehen müssen; 
wir hätten also diese Schiffe von anderen Stationen wegnehmen müssen; 
es würde sehr lange Zeit darüber vergangen sein und es hätte nicht un-
	        
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