Das dentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 3.—6.) 23
die Frage wegen der Annektierung des Küstenstriches von Witu bis Kismaju
angeregt worden war, er nach Berlin schreiben ließ;: „Mag die Nachricht
richtig sein oder nicht; jedenfalls bittet der Reichskanzler dringend, vor jeg-
lichem Vorgehen sich sorgfältig zu vergewissern, ob nicht Engländer daselbst
bessere Rechte haben oder auch nur zu haben glauben. Die Erhaltung von
Lord Salisbury hat für Se. Durchlaucht mehr Wert wie ganz Witu."“
(Hört, hört! links.)
Und was das Protektorat von Sansibar angeht: es war im Dezember
1888; es hatte eine Budgetverhandlung stattgefunden, bei der die Frage
angeregt worden war, ob man nicht das, was wir jetzt haben, im Wege
des gütlichen Vergleichs bekommen könnte, nämlich den Erwerb des Küsten-
streifens auf dem Festlande, dieses zehn Seemeilen breiten Küstenstreifeus,
durch eine Abfindung des Sultans, und ich glaube, der Herr Abg. Oechel-
häuser, unterstützt auch durch Abgeordnete anderer Parteien, hatte die An-
sicht aufgestellt, man könne für diesen Küstenstreifen wohl 10 bis 20 Mil-
lionen dem Sultan von Sansibar bieten. Es war dann die weitere Idee
angeregt worden, man könne dann den Engländern an einer anderen Stelle
auch zu Willen sein. Da hat mein Herr Amtsvorgänger an den Rand des
Berichts, der ihm über diese Kommissionssitzung gemacht worden ist, ge-
schrieben: „Darüber müßten wir zunächst England fragen, wo ich Zustim-
mung kaum erwarte. England ist für uns wichtiger wie Sansibar und Ost-
Afrika. (Hört, hört! links.)
Ich glaube also, der Vorwurf eines leichtsinnigen Abweichens von
den Traditionen meines Vorgängers oder der, eine falsche Bahn eingeschlagen
zu haben, weil sie nicht die meines Vorgängers war, kann mich in dieser
Beziehung nicht treffen. (Bravol rechts.)
Nachdem wir nun unter vielen Mühen — und ich kann sagen, ich
habe mit Spannung den Moment erwartet, in der letzten Stunde zog er
sich noch hin, bis die Unterschrift unter den Vertrag gesetzt war —, nachdem
wir das mit vieler Mühe erreicht hatten, kam die vielleicht noch größere
Mühe. England hatte sich in dem Vertrage verpflichtet, uns beizustehen,
daß wir gegen eine billige Entschädigung den Küstenstreifen, soweit der
Sultan noch Hoheitsrechte an ihm hatte, von ihm bekommen sollten.
Ja, eine billige Entschädigung; das schreibt sich leicht, nachher aber wird
das Wort sehr drückend, wenn man positiv, wie wir, keinen Pfennig in
der Tasche hat. Womit sollten wir den Sultan entschädigen? Es blieb
uns also nichts übrig, als in Verhandlungen mit der Ostafrikanischen Ge-
sellschaft einzutreten. Während wir nun hier auf der einen Seite den Ver-
such machten, aus den Taschen der Östafrikanischen Gesellschaft, deren Ver-
waltungsrat um die Zeit nicht zusammengebracht werden konnte, weil die
meisten Mitglieder auf Reisen waren, eine Mark nach der anderen heraus-
zuholen, so versuchten wir auf der anderen Seite, in England um eine Mark
nach der anderen den Preis herunterzudrücken (Heiterkeit), und so sind wir
von dem ursprünglich angesetzten Preise — und ich wiederhole nochmals,
selbst in der Budgetkommission waren 10 bis 20 Millionen nicht für zu
hoch gehalten worden, der Herr Major Liebert in seinem Reiseberichte hatte
auch noch die Summe von zehn Millionen als eine ganz zahlbare für den
Gewinn dieses Küstenstreisens gehalten — auf vier Millionen herunterge-
kommen. Aber auch diese vier Millionen wollten beschafft sein, und das
war recht schwer. Es reichte aber nicht hin, diese vier Millionen zu be-
schaffen, wir mußten weiter Geld bekommen, um das Land, wenn wir nun
die Herren geworden waren, meliorieren zu können. Der Aufstand hatte
das Land verwüstet, die kleinen Küstenstädte waren Haufen von Ruinen, die
Plantage Lewa war niedergebrannt, zerstört. Nicht allein diese Schäden