Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

Lie Gesterreichisc-Angarisee Monarcie. (Oktober Mitte —Ende.) 171 
Bank errichten, sei nicht unbedenklich. Ein Recht besitze Ungarn hierzu 
unstreitig; allein es sei zu erwägen, daß die junge ungarische Notenbank 
nicht gleich in der Reihe der älteren bewährten europäischen großen Noten- 
banken ebenbürtig auftreten könne. Die ungarischen Noten würden ein 
Disagio haben, was dem ungarischen Kredite schaden würde. Darum sei 
die Gemeinsamkeit des Bankwesens aufrecht zu halten, bei der übrigens die 
ungarische Regierung ihren vollen Einfluß wegen Befriedigung der berech- 
tigten Kreditforderungen Ungarns geltend mache; Oesterreich müsse das 
nämliche thun. Bei der Währungsfrage ergebe sich für Ungarn durch An- 
nahme der Goldwährung der Vorteil, in Verbindung mit den konsolidier= 
testen Staaten zu treten, dadurch den ungarischen Kredit zu heben und zu 
befestigen und von österreichischer Bevormundung zu befreien. Nach Ein- 
ziehung des noch umlaufenden Restes unbedeckter Staatsnoten würden die 
Regierungen den Parlamenten eine Vorlage wegen Aufnahme der Baar- 
zahlungen zugehen lassen. Er hoffe, die Valutaaktion werde den vorgezeich- 
neten Lauf nehmen. 
Mitte Oktober. (Wien.) 12 Mitglieder des Wiener Ge- 
meinderats erklären ihren Austritt aus der antiliberalen Partei, 
weil der Parteiführer Dr. Lueger das deutsch-nationale Prinzip 
zu gunsten des klerikalen vernachlässige. 
Ende Oktober. Die Presse über die Enthüllungen der „Ham- 
burger Nachr.“ (vgl. S. 112). 
Im allgemeinen ist die Presse der Meinung, daß die Enthüllungen 
keinen aktuellen politischen Wert hätten, vielmehr rein geschichtlicher Be- 
deutung seien. Dabei richten die meisten scharfe Angriffe auf die unzuver- 
lässige und doppelzüngige Politik des Fürsten Bismarck, einige Deutschnatio- 
nale verteidigen ihn. Der gegenwärtigen deutschen Regierung sprechen alle 
ihr Vertrauen aus. 
„Fremdenblatt“: „Niemand kann die Berechtigung des Stand- 
punktes der deutschen Regierung, auf jede Klarstellung des Sachverhaltes 
aus Staatsinteressen zu verzichten, anfechten. Bei uns dürfte man sich am 
allerwenigsten veranlaßt sehen, von den deutschen amtlichen Kreisen eine 
weitere Erörterung von Angelegenheiten zu wünschen, die abgeschlossene 
Phasen betreffen und sichtlich zum Zwecke häuslicher Zänkereien zur öffent- 
lichen Besprechung gebracht wurden. Die von dem „Reichsanzeiger“ aus- 
gesprochene Ueberzeugung, daß die Zuversicht in die Aufrichtigkeit und Ver- 
tragstreue der deutschen Politik bei anderen Mächten zu fest begründet ist, 
als daß sie durch derartige Enthüllungen erschüttert werden könnte, ist, was 
Oesterreich-Ungarn betrifft, vollkommen gerechtfertigt. Es entspricht mehr 
den augenblicklichen Stimmungen, als dem reifen Urteile, wenn man von 
Dupierung und Dupierten sprechen zu können meint. Wir glauben nicht, 
daß es seit der Dauer des Bündnisses mit Deutschland sowie des Dreibundes 
überhaupt, auch nur eine Phase gab, in welcher das gegenseitige Vertrauen 
der Alliierten geschwächt und ein Zweifel in die Absichten der Teilnehmer 
begründet gewesen wäre." 
„Neue Freie Presse“: Der Neutralitätsvertrag habe nur ein ge- 
schichtliches Interesse: „Wir hegen nicht den geringsten Zweifel, daß der 
Deutsche Kaiser und dessen Staatsmänner ihre Versprechungen gegen Oester- 
reich ehrlich, aufrichtig und ohne Wortklaubereien erfüllen werden. Wir 
halten treu zu dem deutschen Volke und erwarten die gleiche Treue von 
ihm. Die Veröffentlichung übte keine unmittelbar praktische Wirkung auf
	        
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