Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1908. (49)

III. 
Portugal. 
Januar. Allgemeine Lage. 
Nach amtlichen und privaten Zeitungsnachrichten ergreifen Anfang 
Januar die von der Regierung eingesetzten Verwaltungskommissionen von 
den städtischen Aemtern ohne Zwischenfall Besitz. Nur an einzelnen Orten 
werden Proteste erhoben oder machen sich Anzeichen von passiver Resistenz 
bemerkbar. Sonst werden die Kommissionen mit lebhaften Ovationen 
empfangen. — In den folgenden Wochen wird offiziös wiederholt versichert, 
daß die öffentliche Ordnung ungefährdet sei. Die Opposition greift das 
Kabinett Franco und die Person des Königs heftig an. — Ende Januar 
erläßt die republikanische Partei einen Aufruf, in dem es heißt, nachdem 
die Diktatur die verfassungsmäßigen Freiheiten unterdrückt habe, betrete 
sie jetzt den Weg der Verfolgung. Die Republikaner wollten die von der 
Monarchie ausgeübte Bedrückung beseitigen, nicht aber die Männer der 
Monarchie. — Ende Januar gibt es wiederholte Straßentumulte in Lissabon. 
Am 30. erklärt eine offiziöse Note, eine kleine Minorität wolle die 
Gesellschaftsordnung, das öffentliche und Privateigentum angreifen. Die 
Regierung verfüge über alle Mittel, um die Ruhe zu sichern. Eine zweite 
Note erklärt die Nachricht für unbegründet, daß die Regierung den 
Belagerungszustand zu verhängen beabsichtige, und daß König Carlos es 
abgelehnt habe, irgendein Dekret zu unterzeichnen. Ministerpräsident Franco 
habe augenblicklich die Majorität der öffentlichen Meinung für sich. — Am 
1. Februar wird durch ein Dekret die parlamentarische Immunitat abgeschafft. 
1. Februar. (Lissabon.) Der König und der Kronprinz 
werden bei einer Fahrt durch Karabinerschüsse getötet. Prinz 
Manuel wird leicht verwundet. 
2. Februar. Der neue König Manuel erläßt folgende Pro- 
klamation: 
Ein verabscheuungswürdiges Verbrechen hat Mein liebevolles Sohnes- 
und Bruderherz mit bitterem Schmerze erfüllt und die königliche Familie 
und das ganze Volk dadurch in Trauer versetzt, daß es unerwartet dem 
kostbaren Leben S. M. des Königs Carlos I., meines erhabenen, geliebten 
Vaters, und dem S. Kgl. Hoheit Dom Louis Philipps, meines lieben 
Bruders, ein Ende setzte. Ich weiß, daß die Nation Meinen heftigen 
Schmerz teilt und die lebhafteste Entrüstung gegen das entsetzliche Verbrechen 
empfindet, das, beispiellos in der Geschichte Portugals, der Regierung eines 
  
 
	        
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