Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

170 Greßbritannien. (März 14.—16.) 
stehe am Vorabend eines der folgenschwersten Kämpfe seiner tragischen Ge- 
schichte. Der große und geräuschvoll auftretende Verband der jungen Iren 
dränge das Land, seine Ansprüche auf die Homerule aufzugeben und die 
Errichtung einer Irischen Republik zu fordern. Er spreche für einen be- 
trächtlichen Teil der jüngeren Generation, aber vergeblich rede man von 
der Möglichkeit einer Ir. Republik, auch seien die Führer der Sinnfeiner 
weder unter sich einig, noch verfolgten sie ein logisches Programm. Er 
appelliere daher an die Sinnfeiner, sich mit ihren gemäßigteren Landsleuten 
zu verbinden und geschlossen zu fordern, was jetzt erreichbar sei. Er warne 
die jungen, gedankenlosen Feuerbrände vor neuem Aufruhr, zumal sie die 
ahnungslosen Werkzeuge eines tief angelegten Komplottes seien, das darauf 
ausgehe, sie auf einen hoffnungslosen Weg zu locken, damit dem Lande der 
erreichbare Preis vorenthalten werden könne. Er rufe das Volk auf, zu der 
nationalistischen Partei zu stehen, die schon soviel für Irland getan habe. 
Am 12. kommt es im Oberhaus (und im Unterhaus,) zu großen 
Interpellationsdebatten über die Zustände in Irland. Lord Curzon 
verteidigt die Regierung und gibt die Maßnahmen bekannt, die in den 
letzten vier Wochen zur Unterdrückung der Unruhen getroffen wurden. Er 
gibt zu, daß sich die Lage in den letzten Wochen bedenklich verschlimmert 
hat; er erwartet jedoch von den militärischen Maßnahmen und der Pro- 
klamierung des Kriegsrechts in den einzelnen Grafschaften baldige Be- 
ruhigung. Lord C. schließt: Die Sinnseiner erfanden das Gespenst einer 
bevorstehenden irischen Hungersnot, die durch die große Ausfuhr verursacht 
werde. Sie benützten dies als einen Vorwand für das Hissen der Flagge 
der Irischen Republik. Dies war ein niederträchtiger und unmoralischer 
Plan, es war eine Verletzung der elementarsten Grundsätze eines jeden 
zivilisierten Landes und bedeutet eine direkte Herausforderung an die Re- 
gierung, die wir nicht außer acht lassen dürfen. Wir befinden uns nicht 
einer politischen Agitation gegenüber, sondern haben es mit einer ver- 
brecherischen Verschwörung zu tun. 
14.—16. März. (London.) Ententekonferenz. 
Anwesend sind u. a. Clemenceau, Pichon, Foch und Wygand als Ver- 
treter Frankreichs, Orlando, Bissolati und Bianchi als Vertreter Italiens 
und General Bliß als Vertreter der Ver. St. 
Als Ergebnis der Beratungen veröffentlicht das engl. Auswärtige 
Amt am 18. folgendes Communiqné: Die Premierminister und die aus- 
wärtigen Minister der Entente, die in London versammelt waren, halten 
es für ihre Pflicht, von dem politischen Verbrechen, das unter dem Namen 
eines deutschen Friedens gegen das russische Volk begangen worden 
ist, Kenntnis zu nehmen. Rußland war wehrlos. Die russ. Regierung ver- 
gaß, daß Deutschland vier Jahre gegen die Unabhängigkeit der Nationen 
und gegen die Rechte der Menschheit kämpfte, und in einer Stimmung 
einzigartiger Leichtgläubigkeit erwartete sie, auf dem Wege der Ueberredung 
den „demokratischen Frieden“ zu erhalten, den sie durch den Krieg nicht 
hatte erhalten können. Die Folgen zeigten sich alsbald. Der Waffenstillstand 
wax noch nicht abgelaufen, als die deutsche Heeresverwaltung ihre Truppen, 
obwohl sie sich verpflichtete, deren Verteilung nicht zu verändern, in Massen 
an die Westfront verlegte, und Rußland war so schwach, daß es keinen 
Protest gegen diese flagrante Verletzung der von den Deutschen gegebenen 
Worte zu erheben wagte. Was weiter folgte, war ähnlich. Als der deutsche 
Friede in die Wirklichkeit übersetzt wurde, zeigte es sich, daß er die In- 
vasion russ. Gebietes, Zerstörung oder Wegnahme aller russ. Verteidigungs- 
mittel und die Organisation russ. Länder zum Vorteil Deutschlands in sich
	        
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