Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Grebbritannien. (Juli 19. 20.) 201 
gewöhnlicher Krieg. Man wolle nicht Deutschland im gewöhnlichen Sinne 
besiegen, sondern bekehren. Dazu brauche man zwei Waffen, nämlich die 
Militärmacht und überzeugende Argumente. Wenn aber die Diplomatie ihr 
Teil tun sollte, so bedürfe man einer einfachen, konkreten Formel, ohne 
Reservationen, Implikationen und Komplikationen, einer Formel, die das 
Volk, an das sie gerichtet ist, leicht verstehe. Die Deutschen hätten die 
Formel „Keine Annexionen“ gebraucht. Jetzt sprächen sie von „Historischen 
Grenzen“. Gleichgültig, ob das ehrlich oder unehrlich sei, man müsse darauf 
antworten und immer wieder antworten. Auf jede Friedensoffensive müsse 
man antworten. Schwerfällige Abwehr sei nicht ausreichend, sondern Gegen- 
angriffe seien notwendig. — Hierauf erklärt Lord Crawford im Namen 
der Regierung, daß das Auswärtige Amt und Lord Curzon erwartet hätten, 
daß die Entschließung zurückgezogen würde, nachdem Lord Wimborne in 
Kenntnis gesetzt worden sei, daß das Amt und Lord Curzon gegen eine Er- 
örterung der Entschließung unter den gegenwärtigen Verhältnissen seien. — 
Schließlich zieht Lord Wimborne seine Entschließung zurück, da er feststellt, 
daß das Oberhaus ihr nicht günstig gesinnt ist. 
19. Juli. Veränderungen in der Regierung. 
„Reuter“ meldet amtlich: Der parlament. Sekretär des Munitions= 
ministeriums Sir Worthington Evans wurde zum Blockademinister ernannt 
an Stelle von Lord Robert Cecil, der zum Vizestaatssekretär des Aeußern 
ernannt wurde. Generalmajor Seely tritt an die bisherige Stelle von Sir 
Worthington Evans, Major Waldorf Astor wurde zum parlament. Sekretär 
des Lebensmittelministeriums als Nachfolger von Clynes (s. S. 199) ernannt. 
Hinzugefügt wird, daß Cecil als Blockademinister zurückgetreten sei, da 
Balfour infolge der Vermehrung der Arbeit, die der Krieg mit sich brachte, 
wünschte, daß Cecil einen größeren Anteil an der Führung der ausländischen 
Geschäfte übernehme. — Der Posten eines Bizestaatssekretärs (Assistant. 
Secretary) wird neu geschaffen, um Cecil in den Stand zu setzen, in Ab- 
wesenheit von Balfour mit größerer Autorität das Ausw. Amt zu vertreten. 
Bisher war C. (außer Blockademinister) parlament. Unterstaatssekretär des 
Ausw. Amts. Als Blockademinister war C. vielen Angriffen ausgesetzt, da 
seine Amtsführung vielen nicht energisch genug erschien. Somit darf man 
vielleicht seinen Rücktritt vom Blockadeministerium als Konzession an den 
herrschenden Chauvinismus auffassen. Cecil ist wie Balfour ein Neffe Lord 
Salisburys. 
19. Juli. (Unterhaus.) Behandlung der feindlichen Ausländer. 
Das Haus nimmt in dritter Lesung den Gesetzentwurf an, durch den 
der Staatssekretär des Innern die Ermächtigung erhält, Naturalisations= 
zertifikate für ungültig zu erklären in Fällen von Pflichtversäumnis gegen- 
über dem Lande, bei schweren Vergehen und in den Fällen, in denen das 
Zertifikat durch Betrug erworben ist, oder wenn ganz allgemein der In- 
haber des Zertifikats zu Klagen Anlaß gibt. Das Gesetz gibt dem Staats- 
sekretariat auch das Recht, sämtliche Naturalisationszertifikate zu revidieren, 
die seit Ausbruch des Krieges ausgestellt worden sind. Feindliche Ausländer 
dürsen fünf Jahre nach Friedensschluß nicht naturalisiert werden. — Die 
Behandlung der feindl. Ausländer hatte in der letzten Zeit die Oeffentlich- 
keit stark bewegt. — Am 2. Aug. nimmt das Oberhaus die Vorlage mit 
einigen Abänderungen an. 
20. Juli. Balfour über das „Faustpfand“. 
In einer Versammlung in London anläßlich des belg. Unabhängigkeits- 
tages sagt der Staatssekretär des Ausw. Amts Balfour: Deutschland hat
	        
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